Corrie Jackson: Fashion Victim (Buch)

Corrie Jackson
Fashion Victim
Sophie Kent 1
(Breaking Dead, 2016)
Übersetzung: Anna-Christin Kramer
Piper, 2017, Taschenbuch, 400 Seiten, 10,00 EUR, ISBN978-3-492-30971-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Die Journalistin Sophie Kent hat vor wenigen Monaten ihren Bruder verloren - angeblich ein Suizid, der goldene Schuss -, worunter sie immer noch leidet. Nicht nur ihr Chef setzt sie unter Druck, weil die erwarteten Leistungen ausbleiben, sondern auch ihr Vorgesetzter und Gelegenheits-Lover, der schon länger am absteigenden Ast hangelt.

Durch den brutalen Mord an einem Schüler lernt Sophie das Model Natalia kennen, die, trotzdem sich ihre Wohnung nahe dem Tatort befindet, nichts dazu aussagen kann und so verstört wirkt, dass die Journalistin den Kontakt aufrechterhalten will, weil sie ahnt, dass die junge Frau Angst vor etwas oder jemanden hat.

Wenig später ist Natalia tot. Kurz darauf stirbt ein weiteres Model. Sophie ermittelt mit teils unorthodoxen Methoden, weshalb ihr trotz guter Artikel gekündigt wird. Obwohl sie aufgrund ihrer eigenen Probleme am liebsten alles hin schmeißen würde, bleibt sie am Ball - wegen der Models, die fürchten müssen, Opfer eines Psychopathen zu werden. Und weil sie in ihren Job zurück will.

Endlich erkennt Sophie das Muster und stellt fest, dass die Spur Jahre zurückreicht. Ihr Wissen bringt sie nun selbst in Lebensgefahr…


Das Buch reißt auf der einen Seite die glamouröse Fassade des Model-Business ein und offenbart, welchen Zwängen sich die jungen Frauen für eine kurze Zeit im Scheinwerferlicht unterwerfen müssen und welche schmutzigen Spiele im Hintergrund laufen; auf der anderen wird die Welt der Enthüllungsjournalisten genauso demaskiert, denn es geht einzig um Erfolge und Auflagenzahlen, nicht aber um die Menschen, deren Geschichten an die Öffentlichkeit gebracht werden.

Auch Hauptfigur Sophie Kent erweist sich als eine Person mit passabler Fassade - vermögender Vater, abgeschlossenes Studium, aufgrund von Familie und Beruf viele wichtige Kontakte - und zahlreichen Problemen dahinter: das Zerwürfnis mit dem Vater, der Tod des Bruders, die Affäre mit dem Kollegen, reichlich Alkohol und nachlassende Leistungen im Beruf. All diese Probleme erinnern an das Klischeebild des Reporters in den Krimis der série noir, dienen hier jedoch dazu, die Protagonistin genauso ambivalent zu charakterisieren wie ihr Umfeld. Sie rechtfertigt ihre Nachforschungen damit, dass sie die Wahrheit aufdecken und den Opfern Gerechtigkeit zukommen lassen möchte, aber die wahre Triebfeder ist der Wunsch, eine sensationelle Story zu schreiben und Erfolg zu haben.

Im vorliegenden Titel sucht die Polizei nach einem Mörder, der einige Models auf bestialische Weise verstümmelt und getötet hat. Schockierende Beschreibungen gehören in zeitgenössischen Krimis mittlerweile dazu, was sicherlich nicht nach dem Geschmack jedes Lesers ist. Es finden sich mehrere Verdächtige, irgendwann beginnt man etwas zu ahnen, erfährt die ganzen Zusammenhänge jedoch erst am Schluss. Die Antwort befand sich praktisch genau vor der Nase, aber Nebenschauplätze sorgten immer wieder für Ablenkung.

Etwas verwundert fragt man sich, weshalb der Tod des Bruders ständig angeschnitten wird, obwohl er mit den Ermittlungen in keinem Zusammenhang zu stehen scheint. Das Rätsel wird erst gegen Ende des Romans gelöst, denn Sophie erfährt etwas, mit dem sie nicht gerechnet hat und das die Weichen für ein weiteres Buch stellt, in dem sie - vielleicht - die Wahrheit über den Drogentod ihres Bruder herausfindet („Perfect Victim“ erscheint im September 2017). Zwar ist „Fashion Victim“ in sich abgeschlossen, doch dürften wiederkehrende Charaktere und Konflikte ein rotes Band bilden, das die Romane locker verknüpft.

„Fashion Victim“ ist durchaus spannend geschrieben, und man nimmt Anteil an Sophies Sorgen und ihren Recherchen. So richtig in die Glamour-Welt der Models wird, anders als der Klappentext behauptet, allerdings nicht eingestiegen. Die Autorin liefert zwar das Umfeld für die Mordserie, hält sich aber nicht mit peinlichen Zickenkriegen und dergleichen auf, sondern macht sofort den Schwenk zu schlimmsten Verbrechen, die in ihren hässlichen Details geschildert werden, was schon eine gewisse Abhärtung vom Publikum verlangt.