Michael J. Sullivan: Das Fest von Aquesta (Buch)

Michael J. Sullivan
Das Fest von Aquesta
Riyria 5
(Heir of Novron/Wintertide)
Übersetzung: Wolfgang Ströle
Titelbild: Frederico Musetti
Hobbit Presse, 2016, Paperback, 378 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-608-96016-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

„Riyria“ lautet der Name des Diebesduos Hadrian Blackwater und Royce Melsrose, das in Angelegenheiten verwickelt wurde, die weit über das hinausgehen, was ihr eigentliches Metier ist. Ob sie wollen oder nicht, sie müssen Partei ergreifen für das Imperium, das sich alle Reiche einzugliedern versucht, oder für die Aufständischen, die sich den fragwürdigen Hintermännern, welche die kranke Imperatorin zu lenken versuchen, nicht beugen wollen.

Eigentlich hatte Hadrian aufhören wollen, als Dieb zu arbeiten, getrieben von Gewissensbissen, weil ihm erst die jüngsten Umstände die ehrbaren Motive seines Vaters hatten klarmachen können, doch wegen seiner Freundschaft zu Royce will er ein letztes Mal für Alric Essendon und damit das bedrohte Königreich Melengar eingreifen. Nun ist es ausgerechnet der Halbelbe, der sich zurückziehen möchte, weil er erstmals etwas zu verlieren hat: eine Frau, die er liebt und mit der er eine Familie gründen möchte.

Gwen drängt Royce, Hadrian nicht im Stich zu lassen. Sie weiß, dass er es später bereuen würde, durch Untätigkeit einen ihm wichtigen Menschen verloren zu haben. In einer Vision sieht sie einen tragischen Verlust, durch den Royce außerdem an einen Scheideweg geführt werden könnte, und würde er den dunklen Weg wählen, wird alles noch schlimmer.

Zwar folgt Royce der Bitte seiner Braut, kann aber nicht verhindern, dass Hadrian Opfer eines Komplotts wird, auf das er sich einlassen musste, um Degan Gaunt, den vermeintlichen Erben Novrons, und Prinzessin Arista vor der Hinrichtung zu bewahren. Letztendlich landet er selbst im Gefängnis, und Royce ist die letzte Hoffnung der Gefangenen.

Doch es gibt noch jemanden, der eine offene Rechnung mit Royce hat und Riyria an der Nase herumführen konnte (Band 4: „An Bord der Smaragdsturm“). Die Tragödie nimmt ihren Lauf…


Nachdem der vorherige Band eindringlich schilderte, wozu das manipulative Imperium, die Vertreter der Nyphronkirche, die Feinde von Riyria und andere Kräfte fähig sind, stehen die Länder der Welt Elan praktisch vor dem Zusammenbruch. Wen das Imperium noch nicht unterworfen hat, wurde von den Ghazel, Goblinhorden, überrannt. Die Überlebenden fliehen in die letzten freien Städte, doch auch diese Bastionen fallen eine nach der anderen, da sie nicht über dieselben Ressourcen verfügen wie das Imperium.

Um seine Macht zu festigen, plant Maurice Saldur, einst Bischof und Berater der Essedons, nun der wahre Regent des Imperiums, das Bauernmädchen Thrace Wood, das unter dem Namen Modina zur Imperatorin erhoben wurde (Band 2: „Der Turm von Avempartha“), mit einem seiner Handlanger zu vermählen und sie anschließend durch einen ‚Unfall‘ sterben zu lassen. „Das Fest von Aquesta“ ist nicht mehr fern, die Zeit, etwas zu unternehmen, läuft für Hadrian und Royce ab.

Was niemand weiß, ist, dass Prinzessin Arista Essedon bei dem Versuch, Degan Gaunt zu befreien, gescheitert ist und ebenfalls im Kerker sitzt. Allein Modina und ihre Vertraute Amilia, die sich in den edlen Baron Belstrad Breckton verliebt hat, ahnen von Aristas Schicksal, können ihr jedoch nicht helfen. Außerdem sorgt sich Amilia um Breckton, weil er beim Finale des Turniers gegen den zum Ritter geschlagenen Hadrian antreten soll. Saldur will Breckton, der ihm gefährlich werden könnte, aus dem Weg räumen lassen, und im Gegenzug sollen Arista und Gaunt Hadrian übergeben werden. Royce ist der Einzige, der das falsche Spiel aufmischen könnte, wird aber verraten.

Da noch ein Band, „Die verborgene Stadt Percepliquis“, folgt, verrät man nicht zu viel, wenn man erwähnt, dass es der Autor einfädeln konnte, deus ex machine als Retter erscheinen zu lassen. Das kommt etwas überraschend, aber eigentlich auch nicht, weil einerseits Royce, andererseits das Imperium die Weichen stellten. Hatte man zu Beginn der Lektüre noch geglaubt, dass Hadrian gezwungen wäre, eine Entscheidung zu treffen, an der er zerbrechen würde, so ergibt sich dadurch eine Lösung, mit der nicht zu rechnen war.

Das heißt jedoch nicht, dass die Tragödie abgewendet wurde, denn es gibt sehr wohl ein Opfer zu beklagen, dem weitere Tote folgen, und einige überleben bloß ganz knapp. Die daraus resultierenden persönlichen Folgen sind noch nicht abzusehen, aber ganz sicher ist, dass eine alte Gefahr die Bewohner des Kontinents bedroht. Mehr als einige kryptische Andeutungen liegen nicht vor, und wieder drängt die Zeit, um das Unheil vielleicht noch aufhalten zu können.

Was als Fantasy-Story um Diebe und Adlige begann, die gemeinsam Intrigen aufdecken mussten, welche ein machthungriger Gegenspieler ausgeheckt hatte, entwickelte sich zunehmend zu etwas Größerem. Das Duo Riyria schlug sich auf die Seite des jungen Königs von Melengar, wofür sie gut entlohnt wurden, außerdem war die Parteinahme etwas, das ‚richtig‘ schien. Wenn auch eher zufällig waren Hadrian und Royce an der Auffindung einer angeblichen Novron-Nachfahrin beteiligt, die als Imperatorin Modina ein Hoffnungsträger für dauerhaften Frieden hätte sein können, wäre sie nicht erkrankt und zum Spielball von Kirche und Mitregent geworden. Dasselbe passiert auch den Dieben, die benutzt werden, um das Chaos noch größer zu machen. Nun könnte endlich ein Wendepunkt erreicht sein.

Was genau das bedeutet, wird der sechste und letzte Band, „Die verborgene Stadt Percepliquis“, enthüllen, der mit großer Spannung erwartet wird. Viele Fragen sind noch offen, denn das Schicksal der sympathischen Protagonisten, die eigentlich schon zu gut sind, um wahr zu sein, bewegt, und so manche Details warten darauf, dass die Zusammenhänge hergestellt werden und das große Ganze sichtbar wird.

Nachdem die Fantasy-Leser lange Jahre erst mit Rollenspiel-Adaptionen, dann mit ‚Hausfrauen‘-Fantasy, endlosen „Der Herr der Ringe“-Nacherzählungen und verliebten Fabelwesen angeödet wurden, freut man sich, dass mit „Riyria“ endlich mal wieder eine spannende und unterhaltsame Reihe offeriert wird.