Fabienne Siegmund u.a.: Herbstlande & Fabienne Siegmund u.a.: Herbstlande - Ein Reisejournal (Buch)

Fabienne Siegmund, Vanessa Kaiser, Stephanie Kempen & Thomas Lohwasser
Herbstlande
Titelbild und Illustrationen: Jana Damaris Reich
Verlag Torsten Low, 2016, Paperback, 362 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-940036-40-7

 

Fabienne Siegmund, Vanessa Kaiser, Stephanie Kempen & Thomas Lohwasser
Herbstlande - Ein Reisejournal
Titelbild und Illustrationen: Jana Damaris Reich
Verlag Torsten Low, 2016, Paperback, 56 Seiten, 7,50 EUR, ISBN 978-3-940036-41-4

Rezension von Christel Scheja

In der heutigen Zeit lohnt es auch, einen Blick auf die Publikationen der Kleinverlage zu richten, denn dort erscheinen oft Romane, die vielleicht nicht das Massenpublikum ansprechen aber durchaus anspruchsvollere Fantasy-Leser begeistern können. Das Gemeinschaftsprojekt der vier Autoren Fabienne Siegmund, Vanessa Kaiser, Stephanie Kempen und Thomas Lohwasser ist so ein Fall. Neben dem Roman „Herbstlande“, gibt es auch noch einen Hintergrundband, nämlich „Herbstlande - Ein Reisejournal“.

 

Um ihren Freund und Lebensgefährten Nathan endlich zufriedenzustellen, möchte Scarlett Hayden um jeden Preis schwanger werden. Da ist ihr auch jeder Strohhalm recht, den sie ergreifen kann. Ein kleines, altes Buch scheint die richtige Lösung zu bieten: Magie soll das richten, was die Natur allein nicht schafft. Allerdings begeht sie bei der Ausführung des Rituals, das die Kürbiskönigin dazu bewegen soll, sie fruchtbar zu machen, einen schwerwiegenden Fehler und bringt damit schweres Unheil über sich und ihren Geliebten.

Denn schon kurze Zeit später fällt Nathan durch einen schweren Autounfall ins Koma und Scarlett weiß vor Schuldgefühlen nicht mehr ein noch aus. Sie nutzt schließlich das Angebot geheimnisvoller Wesen, um in die Herbstlande zu reisen, über die die Kürbiskönigin angeblich herescht. Dort wird diese ihr gewogen sein. Die Wanderschaft stellt die junge Frau vor viele Prüfungen und große Herausforderungen. Sie lernt dabei aber auch viel über sich im Speziellen und die menschliche Natur im Allgemeinen und findet immer wieder Freunde, die ihr beim Durchschreiten der Orte zwischen September, Oktober und November dabei helfen, die Augen zu öffnen und endlich auch die Wahrheit zu erkennen.


Das Motiv klingt vertraut, denn „Herbstlande“ beginnt mit einem klassischen Plot um eine verzweifelte Frau, die eine vermeintliche Schwäche durch Magie auszubügeln versucht und dabei schwere Schuld auf sich lädt. Schon der im September spielende Auftakt verrät dem Leser durch subtil eingespielte Missklänge, dass die Fehler der Heldin eigentlich in einem anderen Bereich liegen als dem, den sie zu ändern versucht. Aber wie so oft, muss sie das erst durch einen Selbstfindungstrip für sich begreifen.

Wie man sich denken kann begegnet die Hauptfigur auf ihrer Reise allerlei seltsamen, teilweise sehr märchenhaften Wesen, die es aber alle verstehen ihr nach und nach den Kopf zurechtzurücken und sie mit der Nase auf die Tatsachen zu stoßen. Liebenswerte Laubdrachen ermutigen sie, auch ein Geistermädchen lehrt sie, dass Verlust nicht schlimm sein muss, sondern auch neue Perspektiven eröffnen kann. Brummige Trolle und geflügelte kleine Wesen, erinnern sie an die wichtigen Dinge im Leben. Und nicht zuletzt bereiten sie eine Hexe, ein junger Ritter und ein Homunkulus auf die schwerste aller Prüfungen im Schloss der Kürbiskönigin vor.

All diese Versatzstücke sind bekannt und tauchen immer wieder in ähnlicher Form in märchenhaften Geschichten auf. Doch den vier Autoren gelingt es, den bekannten Elementen eine intensive Atmosphäre einzuhauchen, ohne dabei in Kitsch abzugleiten. Zugleich gewinnen sie ihnen neuen Facetten ab.

Gut durchdacht ist der Reifeprozess der Heldin, denn die Entwicklungen nehmen auch hier nur langsam ihren Lauf, von der reinen Wahrnehmung, dass vieles auch anders sein kann bis zur Selbsterkenntnis ist tatsächlich ein langer Weg, der aber niemals aus dem Ruder gerät, sondern stimmig bis zuletzt ist. Das gibt auch der Heldin eine Tiefe, wie man sie sonst selten findet.

Jedes der Herbstlande verkörpert einen Monat. Genau die auch in der Realität vorherrschende Stimmung fangen die einzelnen Teile ein; von der Leichtigkeit und Fröhlichkeit des Septembers, in dem noch nichts verloren zu sein scheint bis hin zu den düsteren Abgründen, die sich im November auftun. Der rote Faden liegt fest in den Händen der Autoren, sie alle arbeiten gezielt auf den Abschluss hin, der konsequent durchgezogen wird.

Ein weiterer Pluspunkt und das Tüpfelchen auf dem „I“ sind auch die feinen Zeichnungen von Jana Damaris Reich, die die Texte begleiten und unterstützen, genau den Ton finden, den sie haben müssen, um zwischen Märchen und Realität zu bleiben.

Auch im Reisejournal, in dem man die einzelnen Stationen von Scarletts Wanderung noch einmal nachvollziehen kann und das Einiges an Hintergrundinformationen bietet, die im Roman untergegangen wären, kommen die Illustrationen gut zum Tragen.

„Herbstlande“ bietet ein modernes Märchen mit vielleicht sehr vertrauten Motiven und Klischees, aber gerade die eigenständige Neuinterpretation vieler Elemente ist es, die das Buch zu einer Perle macht. Denn hier stimmt alles: angefangen mit der Atmosphäre und Ausarbeitung des Hintergrunds und der Figuren, bis hin zur spannenden Handlung, die mit vielen kleinen aber feinen Wendungen, interessanten Entwicklungen und Details sowie einem sehr konsequenten Ende punkten kann.