Matt Shaw: Perverse Schweine (Buch)

Matt Shaw
Perverse Schweine
(Sick B*stards)
Übersetung: Iris Bachmeier
Titelbild: Arndt Drechsler
Festa, 2017, Paperback, 250 Seiten, 12,80 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Vorher war alles so beschaulich, so einfach und geordnet. Dann kam der große Blitz und nichts war mehr, wie es einmal war. Eine Familie flieht mit ihrem Auto aufs Land. Wer sie sind, wie sie heißen, wo sie herkommen, das wissen sie nicht mehr. Nur eine Fotografie an der Sonnenblende beweist, dass sie zusammengehören. Vater, Mutter, älterer Sohn und jüngere Tochter finden ein abgelegenes Haus und verbarrikadieren sich dort. Nachdem die Vorräte aufgebraucht sind begeben sich Vater und Sohn hinaus, um nach Nahrung zu suchen.

Als sie mutierten Bestien auf zwei Beinen begegnen ahnen sie, dass die Zivilisation, wie sie sie kennen, perdu ist, dass es jetzt heißt - wer überleben will, der muss sich allein um sich selbst kümmern, muss Grenzen überschreiten. Und auch wenn am Himmel Flugzeuge über sie hinwegfliegen scheint eine baldige Rettung ausgeschlossen.

Die zivilisatorische Tünche fällt, der Hunger treibt sie dazu, das Undenkbare zu tun und hilfesuchende Menschen, die bei ihnen Zuflucht suchen, zu schlachten. Dass sie dabei dem hemmungslosen Inzest frönen, ist demgegenüber fast vernachlässigbar.

Dann flieht der Junge, der es nicht länger aushält als Lustdiener seiner Mutter und Schwester zur Verfügung zu stehen und sich von Menschen zu ernähren. Auch wenn das Familienoberhaupt die Losung „Es ist nur Fleisch“ vorgibt, er will sich nicht länger beugen, er will nach Rettung suchen. Auf der Flucht kommt er an eine große Mauer - dahinter…


Festa Extrem, das wissen wir, bemüht sich erfolgreich, die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten und selbst den abgestumpftesten Leser mit Schilderungen zu schocken, die an die Grenzen und darüberhinaus gehen. Vorliegend wird, neben plakativem inzestuösem Sex insbesondere der Kannibalismus beleuchtet.

Die Beschreibungen wie die Familie, die sich an ihre Herkunft, an ihre gemeinsame Zeit nicht länger erinnert angesichts einer zusehends lebensfeindlichen Umwelt reagiert, wie die moralischen Grenzen fallen und der rein animalische Überlebensinstinkt regiert, ist nichts für Leser mit schwachen Nerven oder einem empfindlichen Magen. Hier wird, in einer seltsam distanzierten Art, die das Grauen aber umso eindringlicher beleuchtet, beschrieben, wie die Familie, angeführt vom Familienvorstand, zusehends alle Bedenken fallen lässt und Tabus bricht. Wer überleben will, das zeigt uns der Autor ebenso eindringlich wie deutlich, der muss bereit sein, buchstäblich alles zu für das Fortbestehen zu tun. Wer seine Moral hochhält, wer seine Überzeugungen lebt, dem bleibt nur der Suizid - so die erschreckend realistisch wirkende Kernaussage des Buches.

Erwähnenswert noch, dass der Autor für seine Leser auf den letzten Metern noch eine handfeste Überraschung bereit hält - mehr soll, der Spannung wegen, an dieser Stelle nicht verraten werden.

Einmal mehr also ein Buch, das nichts ist für Zartbesaitete, das die Grenzen des guten Geschmacks weit hinter sich lässt - also genau das richtige für die Extrem-Reihe des Festa Verlags.