Lisa Yee: Wonder Woman auf der Super Hero High (Buch)

Lisa Yee
Wonder Woman auf der Super Hero High
DC Super Hero Girls 1
(DC Super Hero Girls: Wonder Woman, 2016)
Übersetzung: Silvia Schröer
cbj, 2017, Hardcover, 256 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-570-17382-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Wonder Woman lebt abgeschieden auf der Paradiesinsel Themiscyra. Der Wunsch, als Superheldin den Menschen zu helfen und die Erde zu retten, wird immer mächtiger in ihr - ebenso die Hoffnung, viel zu lernen und Freunde zu finden -, sodass sie sich um die Aufnahme an der „Super Hero High School“ bewirbt, von der sie mit Handkuss genommen wird.

Aber nicht alle Schüler sind der naiven Amazonenkriegerin, die alles wortwörtlich nimmt und keine Jungen kennt, freundlich gesinnt. Schon bald erhält sie Drohmails, in denen sie aufgefordert wird, die Schule zu verlassen. Ihre Freundinnen Hawkgirl, Katana, Bumblebee, Poison Ivy und auch die angehende Reporterin Lois Lane, die eine andere Schule besucht, vermuten, dass ein Insider verhindern will, dass sie Mitglied des Supertriathlon-Teams wird, das gegen die Champions anderer Superhelden-Schulen antreten soll.

Wonder Woman fühlt sich stark unter Druck gesetzt, denn ihre Mutter, die Amazonenkönigin Hippolyta, hat die Messlatte für Superheldinnen, insbesondere ihre Tochter, hoch angesetzt, und wenn Wonder Woman versagt, muss sie wieder nach Hause. Dennoch gibt sie nicht auf, nimmt dankbar die Hilfe ihrer Freundinnen an und opfert eigene Belange zugunsten des Teams…


Durch die Kinofilme und TV-Serien, die bereits im TV liefen und eigentlich, selbst wenn sie im Abend-Programm ausgestrahlt wurden, eher jüngere Zuschauer ansprechen sollen, haben die Comic-Helden neue Fans gewonnen. Nachdem die Teams junger Erwachsener regelmäßig ihrer jüngeren Sidekicks entledigt wurden, die daraufhin eigenen Spin-off-Serien erhielten (zum Beispiel „Uncanny Men“ -> „New Mutants“/„X-Force“ und „Generation X“), war es kein großer Schritt zum Jugendbuch, das die Heroen als Teenager ganz zu Beginn ihrer Karriere beschreibt.
Hier dürfen sie, ganz wie die Zielgruppe 10+, Jugendliche sein, die sich mit typischen Problemen herumschlagen: neu in der Klasse und Hoffnung auf Akzeptanz, Freund und Feind unterscheiden lernen, Mobbing überstehen, Fehler wegen Selbstüberschätzung oder aus Ehrgeiz ausbügeln. Die ‚Normalos‘ sehen, dass ihre (angehenden) Idole nicht so viel anders sind als sie selbst, nämlich tollpatschig und überhaupt nicht perfekt - und dafür sorgt auch Harley Quinn mit ihrem TV-Blog, der die Super-Kids bei ihren peinlichen und zugleich menschlichen Missgeschicken zeigt, was die Zuschauer sogar noch mehr für den Helden-Nachwuchs einnimmt.

Nun ist Wonder Woman aber so gar nicht die typische Identifikationsfigur für junge Leserinnen. Das fängt mit ihrem Namen an, der in „Wondy“ verkindlicht wird, denn als Wonder Girl war sie nie unterwegs; das ist der Codename von Donna Troy. Der Codename wird umständlich damit erklärt, dass die Amazonen zwischen Mädchen und Frau nicht groß unterscheiden. Desweiteren zeichnet sich Wonder Woman durch eine Naivität aus, die seltsamerweise nicht von ihren Freundinnen korrigiert wird, sodass sie immer wieder ins offene Messer ihrer Gegner läuft oder vermeidbare Patzer hinlegt. Letztendlich kann es auch keiner mit ihrem Ehrgeiz und Durchhaltevermögen (Schlafverzicht) aufnehmen.

Womit sie jedoch punktet, ist, dass sie in allen, die ihr begegnen, immer das Gute sieht und man dieser ehrlichen Naivität so manchen unabsichtlichen Lapsus verzeiht, weil - von ihren Feinden einmal abgesehen - keiner dieser Aufrichtigkeit widerstehen kann. Wonder Woman ist sehr ehrgeizig, und doch verzichtet sie auf den persönlichen Erfolg zugunsten ihrer Freunde, des Teams und der Schule. Diese Größe hat nicht jeder, aber sie wird natürlich belohnt. Das Ende ist zugleich der Anfang des Folgebands „Supergirl auf der Super Hero High“.

Um die Handlung altersgerecht mit harmlosen Schulproblemen aufzuziehen, hat die Autorin leider einige Möglichkeiten verschenkt. Allen voran hat sie die Gaudi unter den Tisch fallen lassen, wie Wonder Woman auf Jungen, die sie von Themiscyra nicht kennt, reagiert - aber das wäre wohl nicht clean genug abgelaufen (siehe „Wonder Woman: Erde Eins“ 1, Panini). Dass sie keinen Humor kennt, alles wortwörtlich nimmt und sich nur langsam den Gepflogenheiten anpasst, führt zwar zu einigen lustigen Szenen, aber so richtig witzig sind sie auch nicht, da die Freundinnen ihr die Peinlichkeiten hätten ersparen können.

Es gibt auch einige Ungereimtheiten: Manche Schüler werden unter ihrem bürgerlichen vorgestellt (zum Beispiel  Hal Jordan alias Green Lantern), während er von anderen unterschlagen wird (Wonder Woman heißt Diana). Auch die Helden-Generationen werden sehr willkürlich getrennt. Dass unter anderem die Golden-Age-Kämpen (Wildcat, Red Tornado, Liberty Bell und so weiter) als Lehrer fungieren, geht in Ordnung, aber bei den Schülern wirft man Figuren des Silver Age mit jüngeren Helden beziehungsweise ihrer jüngeren Geschichte zusammen. Wonder Woman und Green Lantern haben eine wesentlich längere Historie als Harley Quinn oder Supergirl, die - jetzt - eigentlich älter sein sollte als Superman, aber durch die längere Reise in Stasis bei Erreichen der Erde jünger ist als ihr Cousin. Die jüngeren und ganz jungen Helden werden von der Autorin nach Belieben in einen Topf geworfen, Hauptsache, die (weiblichen) Charaktere sind populär.

Es gibt hier außerdem kein Weltrettungsszenario und keine gefährlichen Superschurken. Hauptthema sind Wonder Womans Bemühungen, den hohen Erwartungen, die vor allem sie selbst an sich richtet, gerecht zu werden und niemanden zu enttäuschen. Die Sticheleien und Gemeinheiten ihrer Gegenspieler halten sich in Grenzen. Der einzige Kampf ist der Wettkampf zwischen den Super-Schulen, aus dem ein Kräftemessen mit den angehenden Verbrechern wird. Also, alles ganz harmlos.

Das Buch ist als Hardcover bei cbj erschienen. Den Titel ziert ein Originalmotiv von DC, das im Manga-Stil gehalten ist und durch Silberfoliendruck aufgepeppt wurde. Jede Seite weist einen Rahmen, jeder Kapitelbeginn eine Vignette (immer dieselben Motive) in Blau auf. Auch die Schrift ist blau und in gut leserlicher Größe, sodass man die ca. 250 Seiten in knapp drei Stunden durch hat.

Vordergründig liest sich das Buch sehr unterhaltsam und erfüllt die Erwartungen der anvisierten Leserschaft, Mädchen zwischen 10 und 13 Jahre. Die Botschaft ist überdeutlich: Freunde finden, selbstlos sein, gemeinsam gegen Fieslinge bestehen können… wie auf dem Ponyhof; die Realität ist leider nicht so nett. Hinsichtlich des Hintergrunds stolpern eingefleischte Comic-Leser über ein paar Vereinfachungen und Ungereimtheiten.

Von daher eignet sich die Serie wirklich nur für sehr junge Mädchen ohne ausführlichen Comicheft-Background - aber diese werden bestimmt viel Spaß an der Lektüre haben.