Frau Wolle: König Lichterloh - Märchen und Geschichten von Krieg und Frieden, Streit und Vergebung, Zorn und Zärtlichkeit (Buch)

Frau Wolle (Karin Tscholl)
König Lichterloh - Märchen und Geschichten von Krieg und Frieden, Streit und Vergebung, Zorn und Zärtlichkeit
Titelbild und Innenillustrationen: Almuth Motha
Tyrolia, 2016, Hardcover, 216 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7022-3542-0

Rezension von Irene Salzmann

Die hier gesammelten Märchen sind eingebettet zwischen die Vorworte der Märchen-Erzählerin Frau Wolle alias Karin Tscholl sowie einem Anhang, der die Quellen der Geschichten nennt. Für gewöhnlich hat Frau Wolle diese von anderen erzählt bekommen, welche sie ihrerseits irgendwo gehört oder gelesen haben - jene Erzähler werden kurz vorgestellt; dank der angegebenen URLs darf man auf deren Homepages nach weiteren Märchen forschen. Alle Geschichten werden ausnahmslos von Frau Wolle in eigenen Worten wiedergegeben.

Interessanterweise geht es in keinem der Stücke um den titelgebenden König Lichterloh. Er ist vielmehr ein Sinnbild für einen König oder auch einen beliebigen Menschen, der zwei Seiten hat, darum handeln die Märchen und Geschichten von Krieg und Frieden, Streit und Vergebung, Zorn und Zärtlichkeit, denn jeder kann sich für eine Seite entscheiden oder, wenn er seinen Fehler erkannt hat, diesen korrigieren und es künftig besser machen.

Die Märchen stammen aus allen Teilen der Welt. Manche Motive wirken vertraut, wenngleich sie in einem etwas anderen Gewand erscheinen, manche sind weniger bekannt. Ihnen allen wohnt eine Weisheit inne, wodurch sie auch für das reifere Publikum interessant sind, denn die gängigen, ausdrücklich für Kinder formulierte Geschichten im Stil von „Die sieben Geißlein“ oder „Die Bremer Stadtmusikanten“ findet man hier nicht. Trotzdem begegnet man Archetypen wie dem ungerechten König, der mutigen Prinzessin, dem weisen Alten, der liebenden Ehefrau, dem tapferen Jüngling, der hilfreichen Fee, dem verzeihenden Freund usw. Auch die Zahlensymbolik (drei Geschwister, drei Wahrheiten, drei Tiere etc.) ist zu finden.


„Benedikt vom Berg“ (Deutschland) ist eines der Märchen, das man in etwas abgewandelter Form zweifellos kennt: Ein Bauer will eine seiner zwei Milchkühe auf dem Markt verkaufen. Unterwegs wird ihm das Vorantreiben des Tieres zu anstrengend, und als er einem Mann mit einem Pferd begegnet, tauschen die beiden. So geht es immer weiter, bis der Bauer mit einem Hahn hungrig in ein Wirtshaus einkehrt und diesen in Zahlung gibt für das Essen. Danach setzt er den Heimweg mit leeren Händen fort und erzählt einem Nachbarn, was er erlebt hat. Die beiden wetten um die hundert Taler, die die Bauersleute besitzen, denn der Nachbar ist sich sicher, dass die Ehefrau zornig sein wird, während der Mann glaubt, dass sie sein Vorgehen nicht kritisieren wird. Und tatsächlich überlegt die Bäuerin sorgfältig, als sie alles erfahren hat, und kommt zu dem Schluss, dass ihr Mann stets die richtige Entscheidung getroffen hat, denn alles hat auch eine gute Seite. So hat „Benedikt vom Berg“ am Ende für seine Kuh hundert Taler gewonnen und war reicher als zuvor. Durch die Liebe des Ehepaares füreinander und die große Kunst, in allem etwas Gutes zu erkennen, wurden die beiden belohnt.

 

Frau Wolle erzählt dieses und alle anderen Märchen in einem unaufgeregten, passenden Ton. Man folgt ihren Worten gern und kann sich gut vorstellen, wie sie die Geschichten in einer kleinen oder größeren Runde vorträgt.

Sehr schön sind die Illustrationen von Almuth Mota. Jede Seite wird von einem bunten Rahmen geziert; der Text befindet sich in der Mitte. Jeder dieser Rahmen ist auf das Herkunftsland oder Thema des jeweiligen Märchens abgestimmt. Beispielsweise sieht man um das tibetische Märchen „Der Büffel mit einem Horn“ einen Tempel im Gebirge, einen hohen Bambus und Wolken. Das koreanische Märchen „Die Blume einer Königin“ ist von vielen verschiedenen Topfpflanzen umgeben. „Ein Tropfen Honig“, aus dem Orient/Asien stammend, wird von Honigwaben geschmückt. Das indianische „Die Bärenfalle“ weist Ornamente auf, wie man sie von den Decken und der Kleidung nordamerikanischer Indianer kennt.

Insofern kann man sagen, dass „König Lichterloh“ nicht nur lehrreiche, in dieser Form kaum bekannte Märchen beinhaltet, die für Jung und Alt schön zu lesen sind, sondern auch optisch durch die aufwändigen Rahmen sehr gefällt.

Ein wirklich sehr hübsch und fantasievoll zusammengestelltes und gestaltetes Märchenbuch!