Larry Niven: Ringwelt / Ringwelt Ingenieure (Buch)

Larry Niven
Ringwelt / Ringwelt Ingenieure
(Ringworld, 1970 / The Ringworld Engeneers, 1980)
Übersetzung: Axel Merz
Titelbild: Arndt Drechsler
Bastei Lübbe, 2016, Paperback, 928 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-404-20867-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Der US-amerikanische Autor Larry Niven gehört zu den Phantastik-Autoren, die ein eigenes Universum, eine Chronologie der zukünftigen Entwicklung der Menschheit, erdacht haben, welche in sich logisch und schlüssig ist. Wie zum Beispiel Robert A. Heinlein („Future History”), Alan Dean Foster („Homanx-Commonwealth”) oder Cordwainer Smith („Instrumentality of Mankind”) beschreibt Niven in Romanen und Erzählungen, welchen Weg die menschliche Gemeinschaft in den nächsten Jahrhunderten gehen könnte, wobei sich der Zeitrahmen seiner Zukunftsgeschichte auf mehr als Tausend Jahre erstreckt.

„Tales of the Known Space” heißen diese Geschichten oder einfach „Known Space” (was so viel wie „Bekannter Raum“/ „Bekannter Weltraum” bedeutet) im Original. In Deutschland benannte man diese Erzählungen nach Nivens bekanntestem Roman aus dieser Serie, weshalb sie hierzulande „Ringwelt-Universum” heißt.

In den letzten Jahrzehnten ließ sich Niven dann von anderen Autoren beim Schreiben der Serie unterstützen, schrieb zum Beispiel gemeinsam mit Edward M. Lerner einige Romane. Der Autor gab aber auch ganze „zukunftshistorische” Abschnitte für Kollegen frei (darunter so bekannte wie Poul Anderson, Gregory Benford oder Greg Bear), die dann zum Beispiel von den Kriegen der Kzinti gegen die Menschen berichteten.

„Ringwelt“ erschien ursprünglich 1970 und wurde 1972 in einer gekürzten Version bei Bastei Lübbe veröffentlicht (damals übersetzt von Bodo Baumann). Erst 1998 erschien dieser legendäre Roman, für den Niven mehrere bedeutende SF-Preise (Hugo, Nebula, Locus) erhielt, ungekürzt in der Übersetzung von Axel Merz, die nun auch hier wieder vorliegt. Die Fortsetzung stammt aus dem Jahr 1980 und auch hier erschien die Übersetzung von Axel Merz erst 1998 (wobei bereits 1982 eine Übersetzung, ebenfalls von Bodo Baumann, bei Bastei Lübbe erschienen war).


In „Ringwelt“ beschreibt Niven eine gigantische künstliche Welt, geformt wie ein Ring, die nahezu unfassbar gewaltige Landflächen zur Besiedlung bietet. Der Mensch Louis Wu und der tigerartige Kzin Der-zu-den-Tieren-spricht, der später dann meist nur noch Chmeee genannt wird, erforschen zusammen diese unbekannte künstliche Welt und erleben dort einige „haarige” Abenteuer.


Neben der wunderbar abenteuerlichen Handlung beeindruckt vor allem die detaillierte Charakterisierung der Protagonisten und die ausgefeilte Hintergrund-Konstruktion mit den verschiedenen Alien-Rassen, wobei der erfahrene Leser weiß, dass die sogenannten Puppenspieler (im Original: Pierson-Puppetiers) in Wirklichkeit alle Handlungsfäden in den Händen (besser Mündern) halten und alles steuern, damit Wu und Chmeee zu ihrem Einsatz kommen. Die Menschheit ist bei Niven nicht der Nabel des Universums, sondern eine von vielen intelligenten Rassen, die alle um die Vormachtstellung und neues Wissen buhlen. Nivens sehr gute stilistische Fertigkeiten und die mühelose und unkomplizierte Einarbeitung schwieriger technischer Details in die Handlung der Geschichte sind weitere Pluspunkte dieses SF-Meilensteins. Leider reicht schon die Fortsetzung nicht mehr ganz an dieses Meisterwerk heran, stellt aber immer noch einen herausragenden Abenteuer-SF-Roman mit glaubhaften und interessanten Protagonisten und einer spannenden Handlung dar.

Dem Autor gelingt es durch einen äußerst cleveren Trick, Louis Wu nochmals für den Leser unvergesslich zu gestalten, denn er zeigt ihn zu Beginn der Handlung als schwachen, völlig abhängigen Junkie, der sich Strom ins Gehirn leitet, um sich so zu stimulieren. Der völlig heruntergekommene Wu wird somit zum besonderen Kontrapunkt sonstiger Helden-Charaktere. Wie soll ein solcher Versager ein schwieriges, lebensgefährliches „intergalaktisches” Abenteuer erfolgreich meistern?

Aus diesem Spannungsfeld schöpft die Fortsetzung zunächst ihr Unterhaltungspotenzial. Da die Ringwelt zu taumeln begonnen hat, was ihren Untergang bedeuten könnte, müssen Wu und Chmeee die eigentlichen Konstrukteure oder zumindest deren Pläne auftreiben, um die künstliche Welt adäquat stabilisieren zu können. Dazu müssen sie die riesige Welt erneut erforschen und wie Detektive nach Hinweisen suchen...

Leider sind alle weiteren Fortsetzungen nach dem zweiten Band eher zäh wie Kaugummi, so dass der Leser mit diesem Doppelband die beiden besten Geschichten präsentiert bekommt, die auf der Ringwelt spielen. Die drei bis heute existierenden weiteren Bände verwässern nur den Mythos, was sehr bedauerlich ist!

Wer also noch nie was aus dem „Known Space” gelesen hat: Hier in diesem günstigen Doppelband hat er/sie/es die beste Gelegenheit dazu!
 


Anhang: Eine Übersicht über den „Known Space” in Deutschland im November 2016:

Im Folgenden habe ich versucht, eine möglichst vollständige (und teilweise noch zeitlich geordnete) Übersicht über alle Bücher zu erstellen, die im (deutsch) „Ringwelt-Universum” (im Original: „Known Space”) spielen, was, tanj-nochmal (das Wort ist übrigens ein Akronym und steht für: „There ain´t no justice”) gar nicht so einfach ist.

01) „Der kälteste Ort“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24281, ursprünglich unter dem Titel „Geschichten aus dem Ringwelt-Universum“ bereits schon einmal als Bastei Lübbe Taschenbuch 24064 erschienen). Dieser Band bietet eine Zeittafel mit chronologischem Überblick über die Geschehnisse in Nivens Future History.
02) „Welt der Ptaav“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24279, ursprünglich gekürzt als „Das Doppelhirn“ unter der Nummer 21097 bei Bastei Lübbe erschienen, auch enthalten in „Kinder der Ringwelt“, Bastei Lübbe Taschenbuch 22111).
03) „Flatlander“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24266).
04) „Brennans Legende“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24248).
05) „Ein Geschenk der Erde“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24284, ursprünglich gekürzt als „Planet der Verlorenen“ unter der Nummer 5 und 23008 bei Bastei Lübbe erschienen, auch enthalten in „Kinder der Ringwelt“, Bastei Lübbe Taschenbuch 22111).
06) „Crashlander“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24262).
07) „Katzenhaus“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24244).
08) „Neander Tal“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24251).
09) „Höllenfeuer“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 2424254).
10) „Der Überlebende“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24265).
11) „Katzenmusik“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24269).
12) „Die Trojanische Katze“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24272).
13) „Outsider“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24277).
14) „Katz und Maus“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24288).
15) „Eine dunkle Geometrie“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24302).
16) „Katzenkrallen“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24316).
17) „Die Flotte der Puppenspieler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24373).
18) „Weltenwandler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24376).
19) „Der Krieg der Puppenspieler“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24398).
20) „Ringwelt“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24238, ursprünglich als Bastei Lübbe Taschenbuch 15/16, 21015/16 und 24003 erschienen).
21) „Ringweltingenieure“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24239, ursprünglich als Bastei Lübbe Taschenbuch 24028).
     (Beide aktuell als Sammelband Bastei Lübbe 20867).
22) „Ringweltthron“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24236).
23) „Hüter der Ringwelt“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 24352)
24) „Das Schicksal der Ringwelt“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 20762).

Die Bände 17 bis 19 und 24 entstanden in Zusammenarbeit mit Edward M. Lerner.
Die Bände 7 bis 16 enthalten hauptsächlich Texte verschiedener anderer Autoren (z. B. Poul Anderson, Gregory Benford, Greg Bear, Jerry Pournelle, Donald Kingsbury, S. M. Stirling etc.) und spielen zu Zeiten der Kriege zwischen Kzinti und Menschen. (Zwei weitere Bände aus den Kzinti-Kriegen, nämlich Bastei 24296 mit dem Titel „Tal der Katzen“ und Bastei 24300 unter dem Titel „Eisen“ enthalten dagegen nur Geschichten, die in den anderen hier aufgelisteten Bänden bereits enthalten sind; sie sind somit vollständig redundant und damit obsolet!).

Meines Erachtens nach könnte auch folgender Kurzroman noch in die Serie gehören, obwohl er in Deutschland nie hierzu aufgelistet wird:
„Ein Mord auf dem Mond“ (Originaltitel: „The Patchwork Girl“, Bastei Lübbe Taschenbuch 23028). Hier spielt ein Agent der ARM die Hauptrolle und ermittelt in einem Mordfall auf dem Mond.