Alexey Pehov: Dunkeljäger (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 09. September 2016 10:30

Alexey Pehov
Dunkeljäger
(Lovcy udaci)
Übersetzung: Christiane Pöhlmann
Piper, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 432 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-492-70299-7 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Weil der Elf Lass die Befehle seiner Herrscherin nicht ausführte, um den sinnlosen Tod seiner Leute in einem genauso sinnlosen Krieg zu vermeiden, soll er hingerichtet werden. Ihm gelingt die Flucht, doch die Häscher sind nur schwer abzuschütteln. Darum hofft er, auf einem fernen Kontinent, vielleicht bei den Dunkelelfen, untertauchen zu können. Bevor er seine Heimat verlässt, übergibt ihm eine Sterbende ein Schmuckstück, vermag ihm jedoch nicht mehr mitzuteilen, für wen es bestimmt ist.
Auf der Schildkröteninsel, deren Bewohner strengen Regeln unterworfen sind, welche durch ein kompliziertes System aus Schmuggel, Korruption und Gefälligkeiten permanent gebrochen werden, versucht Lass lange Zeit vergeblich, eine anständige Arbeit, vorzugsweise als Pilot, zu finden. Erst nachdem er bei einer Wette einen allseits unbeliebten Flieger besiegen kann, beginnt man, sich für ihn zu interessieren. Allerdings gilt dies auch für seine Verfolger.
Kaum haben Lass und sein Partner, der Ork Ogg, ein geeignetes Schiff gefunden, um als Kuriere tätig zu sein, wird der Elf von seinen Landsleuten entführt und soll zurückgebracht werden. Aber auch andere sind hinter ihm her, denn sie benötigen das Artefakt zu einem ganz bestimmten Zweck: Nur, was haben die Margudier davon, wenn sie die Dämonen von der Kehrseitenwelt freisetzen und sie hier wüten lassen?
„Dunkeljäger“ gilt als in sich abgeschlossener Roman, dennoch hat man das Gefühl, als würden Anfang und Ende fehlen und der Autor habe sich die Option offen gehalten, weitere Geschichten über Lass, seine Freunde und Feinde zu schreiben.
So erfährt man von dem, was die Hauptfigur, aus deren Perspektive die Geschehnisse geschildert werden, in diese Situation brachte, nur aus deren Erinnerungen, hauptsächlich in kurzen, erklärenden Nebensätzen: Lass war Soldat und weigerte sich, seine Männer ins sichere Verderben zu führen, wofür er zum Tode verurteilt wurde. Die Handlung setzt ein, als er sich auf der Flucht gegen seine Verfolger verteidigt und ihnen fürs Erste entkommt.
Im weiteren Verlauf der Ereignisse schafft sich Lass neue Feinde, die ihm ebenso hartnäckig auf den Fersen bleiben, wie eine Gruppe Elfen, die ihn um jeden Preis in die Heimat zurückschaffen soll, damit das Urteil vollstreckt werden kann. Die Margudier sind hinter einem magischen Artefakt her und attackieren Lass immer wieder aus dem Hinterhalt und unter dem Einsatz von Magie. Auch sie haben ihrerseits einen unerbitterten Feind - doch macht dieser Umstand Kapitän Nord automatisch zu einem Freund von Lass? Denn auch um ihn ranken sich Gerüchte, die Zweifel an seiner Person erlauben.
Seine Reise in das Land der Dunkelelfen unterbricht beziehungsweise bricht Lass auf der Schildkröteninsel ab. Nach anfänglichen kleinen Problemen findet er dort erstmals treue Freunde ausgerechnet unter jenen, von denen er es am wenigsten erwartet hätte. Insbesondere Ogg erweist sich regelmäßig als zuverlässiger Kamerad, obwohl die Beziehung von Elfen und Orks von langen, blutigen Kriegen geprägt wurde und auch Oggs Familie Verluste zu beklagen hatte.
Obschon schöne und tapfere Frauen größere Rollen innehaben, wird auf eine Romanze verzichtet. Im Mittelpunkt steht die Flucht von Lass und sein Bestreben, sich fern der Heimat ein neues, friedliches Leben aufzubauen - ein Versuch, der von den ihn suchenden Elfen und den Margudiern sabotiert wird. Notgedrungen muss Lass immer wieder kämpfen und so manche Verzweiflungstat begehen, um sein und das Leben seiner Freunde zu retten, die für ihn ebenfalls alles riskieren.
Diese teils ungewöhnlichen Kameradschaften sind neben Action und einer Prise feinem Humor, die sich vor allem in den Kommentaren von Lass und einer gewissen Situationskomik, die jedoch nie in Klamauk ausartet, findet, die wesentlichen Punkte, die das Buch ausmachen. Hinzu kommt eine glaubwürdige Beschreibung des Backgrounds, vor dem bekannte Fantasy-Wesen (Elfen, Trolle, Orks, Gnome, Halblinge, Werwölfe, Liliputaner und so weiter) agieren, welche, sofern sie sich Lass anschließen, schrullig und sympathisch gezeichnet sind.
Der Roman endet durchaus befriedigend und zugleich offen, denn als Kurier dürfte Lass immer wieder in Schwierigkeiten geraten, die Margudier mögen auf Rache sinnen, es gibt Elfen, die ihre Herrscherin absetzen möchten, und Lass ist zufälligerweise der zweite in der Thronfolge, obschon er keinerlei Ambitionen zeigt, seiner Cousine die Stirn zu bieten. Auch darüberhinaus gibt es allerlei Ansätze, die der Autor aufgreifen und weite spinnen könnte. Nachdem einem die Charaktere aus „Dunkeljäger“ ans Herz gewachsen sind, würde man sich das sogar wünschen.
Alexey Pehov gilt neben Sergej Lukianenkow als der erfolgreichste Fantasy- und SF-Autor Russlands. Bereits von ihm erschienen sind im Piper Verlag außerdem „Die Chroniken von Siala“ (3 Bände), „Die Chroniken von Hara“ (4 Bände), „Die Chroniken der Seelenfänger“ (2 Bände) und „Schattendieb“ (Novellen).
Dass Alexey Pehov diesem Ruf gerecht wird, beweist er mit „Dunkeljäger“. Obwohl er sich fast sämtlicher Fantasy-Archetypen bedient, gelingt es ihm, ihnen eine individuelle Note zu verleihen sowie den bekannten Hintergründen und Handlungsabläufen wenig verbrauchte Elemente hinzuzufügen. Auch der Verzicht auf eine klischeebeladene Romanze und das Ausrichten des Fokus auf eine spannende, leicht humorige Handlung tun dem Roman ausgesprochen gut. Dass er seine Welt sehr sorgfältig aufgebaut hat, belegen zudem zwei Glossare, von denen eines die verschiedenen Völker und Termini erläutert und das andere sehr ausführlich die Typen der fliegenden Schiffe beschreibt.
Schätzt man innovative Fantasy, die auch aus Standards Neues und Spannendes schaffen kann, wird man an der Lektüre von „Dunkeljäger“ sehr viel Freude haben - und vielleicht auch sehr gern zu den weiteren Romanen des Autors greifen.