P. C. Cast & Kristin Cast: Betrogen – House of Night 2 (Buch)

P. C. Cast & Kristin Cast
Betrogen
House of Night 2
(Betrayed – A House of Night Novel,, 2007)
Aus dem Amerikanischen von Christine Blum
Titelgestaltung von Hauptmann & Kompanie, Hanna Hörl, nach einer Idee von Cara E. Petrus, unter Verwendung eines Motivs von Elke Hesser/gettyimages
Autorenfoto von Kim Doner
S. Fischer, 2010, Hardcover, 480 Seiten + 29 Seiten Leseprobe aus „Erwählt – House of Night 3“, 16,95 EUR, ISBN 978-3-8414-2002-2

Irene Salzmann

Zoey Heffer – jetzt Zoey Redbird – ist eine Jungvampyrin, die zusammen mit andern Jugendlichen, die den Wandel vom Mensch zum Vampyr durchmachen müssen, in einem der „Houses of Night“ unterrichtet und mit ihrem zukünftigen Leben vertraut gemacht wird. Allerdings verläuft diese Phase bei Zoey etwas anders.

Obwohl der Wandel gerade erst begonnen hat, ist das Mal, mit dem die Göttin Nyx ihre Auserwählten zeichnet, zwischen Zoeys Brauen bereits deutlich sichtbar. Sie weist eine Affinität zu allen fünf Elementen auf und nutzt diese Gabe, um Aphrodite, die arrogante Anführerin der Töchter und Söhne der Nacht, der es nur um ihr eigenes Ansehen geht, zu entmachten und ihre Stelle auch als angehende Hohepriesterin einzunehmen. Seither wurde das Mal um neue Zeichen erweitern, die sich um Zoeys Gesicht bis hinab zu ihren Schultern ranken. Etwas Vergleichbares haben die erwachsenen Vampyre noch nie gesehen.

Zoey hat keine andere Wahl, als sich damit abzufinden, dass sie in den Augen aller jemand Besonderes ist und dass man viel von ihr erwartet. Dabei stehen ihr einige Mitschüler treu zur Seite. Stevie Rae, Shaunee, Erin, Damian und Erik haben sich längst als zuverlässige und mutige Freunde bewährt. Und doch gibt es Dinge, die sie ihnen nicht oder nur eingeschränkt anvertrauen kann, denn entweder würde man ihr nicht glauben oder der Mitwisser geriete in große Gefahr.

Die Situation eskaliert, als zwei menschliche Jungen in der Nähe des House of Night tot und blutleer aufgefunden werden. Die Behörden ermitteln, und auch Zoey wird befragt, da sie die Opfer flüchtig kannte. Dann verschwindet ihr Ex Heath, und in einem Albtraum sieht sie, wie er von vermummten Gestalten verschleppt wird, die sie bislang für die Geister von Mitschülern hielt, die nicht gewandelt wurden, sondern gestorben sind. Da sie sein Blut getrunken hat, kann sie Verbindung mit Heath aufnehmen und den Ort finden, an dem er gefangen gehalten wird.

Dort wird Zoey mit Dingen konfrontiert, die viel schlimmer sind, als sie auch nur geahnt hat. Eine Person, an der sie besonders hing und die sie verloren hatte, ist nun eine völlig andere, während jemand, dem sie lange vertraute, in diese grausigen Dinge verstrickt ist, gänzlich unbekannte Ziele verfolgt und Zoey „betrogen“ hat. Plötzlich sieht sich die Sechzehnjährige einer mächtigen Feindin gegenüber, während eine einstige Gegenspielerin zur Verbündeten werden könnte …

Der zweite Band der Serie „House of Night“, „Betrogen“, knüpft nahtlos an den Vorgänger, „Gezeichnet“, an. Falls jemand erst jetzt hinzu stößt, fasst ein kurzer Rückblick das Bisherige aus Sicht der Hauptfigur Zoey zusammen und stimmt zugleich den Kenner auf das Kommende ein.

Zoeys Handeln konnte ein großes Unheil verhüten und blieb nicht ohne Folgen: Sie selber ist in den Mittelpunkt der Beachtung gerückt, die neue Anführerin der Töchter und Söhne der Nacht geworden und gilt als die nächste Hohepriesterin. Ihre ungewöhnliche Zeichnung macht auch optisch deutlich, dass Nyx sie auserwählt und mit besonderen Gaben gesegnet hat, offenbar um notwendige Reformen einzuleiten.

Im Gegenzug wird Zoeys Rivalin Aphrodite isoliert und von allen im Stich gelassen. Die Eltern, die sie für ihre Zwecke benutzen wollten, beschimpfen sie, die Freunde, die sich in Aphrodites Glanz gesonnt hatten, ziehen sich zurück, und die Hohepriesterin Neferet hat nur noch eiskalte Verachtung für ihren einstigen Schützling übrig, behauptet sogar, dass Nyx Aphrodite bestraft habe, indem ihr die Gabe der Vision genommen wurde.

Es ist reiner Zufall, dass Zoey einige dieser Dinge aufschnappt. Wider Willen beginnt sie, Sympathie und Mitleid für Aphrodite zu empfinden, schließlich hat sie selber Eltern, die kaum einen Deut besser als die der Feindin sind. Auch begreift sie, wie viel ihr die Freundschaft zu Stevie Rae und den anderen bedeutet, die, was auch kommen mag, Zoey nicht fallen lassen würden, so wie es die falschen Freunde von Aphrodite taten. Außerdem lernt sie eine ganz andere Seite von ihrer Mentorin Neferet kennen, welche sie zur Vorsicht gemahnt.

Und diese erweist sich als begründet, denn immer wieder passiert etwas – zunächst nur kleine Dinge –, die Zoey an der Aufrichtigkeit Neferets zweifeln lassen. Allerdings kann sie mit niemandem über ihre Befürchtung reden, denn selbst ihre Freunde lassen sich von der charismatischen Vampyrin blenden. Bloß Aphrodite blickte bereits hinter die schöne Fassade, und obwohl sich die Mädchen nicht mögen, ist sie es, die Zoey mehr als einmal warnt und sie wissen lässt, dass ihre Rivalin keineswegs ihre visionären Kräfte eingebüßt hat.

Dadurch wird Zoeys Welt völlig auf den Kopf gestellt – nichts ist so, wie es sein sollte. Hinzu kommen erschütternde Geschehnisse jenseits der Schulmauern, die die Polizei gern den Vampyren anlasten würde, und eine Tragödie in Zoeys unmittelbarer Umgebung, denn sie verliert einen wichtigen Freund. Plötzlich hat sie Träume und Visionen, und ihr Ex Heath wird zum Schlüssel, wenngleich das Rätsel nur noch größer wird.

Von daher fällt „Betrogen“ etwas unbefriedigend aus, denn nach „Gezeichnet“, in dem das Setting und die Hauptfiguren vorgestellt und der Konflikt vage angedeutet wurden, erweist sich der zweite Teil als Weichen stellend, denn das scheinbare Idyll zerplatz wie eine Seifenblase, und was bleibt, ist etwas Düsteres und Gefährliches. Zoey deckt ein übles Geheimnis auf und erkennt ihre wahre Feindin, kann das Puzzle aber noch nicht zusammensetzen, d. h., viele wichtige Antworten werden auf spätere Kapitel verschoben.

In diesen spannenden Plot verwoben ist natürlich eine auf Teenager-Bedürfnisse abgestimmte Romanze. Auch Jungvampyre erweisen sich als anfällig für die üblichen Irrungen und Wirrungen des Herzens. Zoey ist mit Erik liiert, aber ihre Beziehung tritt auf der Stelle, schon wegen Heath, der nicht von Zoey loskommt, da sie von seinem Blut getrunken hatte. Doch noch ein Dritter mischt mit. Wer letztlich das junge Mädchen erobern wird, bleibt ebenfalls offen – und da weitere Bände folgen sollen, darf man davon ausgehen, dass sich das Liebeskarussell noch einige Male drehen wird.

Alles in allem bieten P. C. & Kristin Cast mit ihrer „House of Night“-Serie zeitgenössische und altersgerechte Unterhaltung zu einem populären Thema. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und seltener Kollegen verbinden sie mit den Vampyren das ‚Göttinnen-Thema’, das in den 1970er Jahren aktuell war (Marion Zimmer Bradley: „Die Nebel von Avalon“) und nun eine Renaissance erleben könnte. Das Szenario wirkt realistisch, da als Vorlage für die Parallelwelt das heimatliche Tulsa/Oklahoma dient.

Freilich gibt es im Moment eine Menge Romantic Mystery- und Romantic Fantasy-Romane, so dass man die Qual der Wahl hat. Beispielsweise konnte Stephenie Meyer mit ihrer „Twilight“-Serie viele Fans um sich scharen, und Lisa J. Smiths „Vampire Diaries“ erfuhren prompt eine Neuauflage und profitieren gerade von der gleichnamigen TV-Serie. „The House of Night“ kann mit diesen und anderen überaus beliebten Reihen problemlos mithalten, zumal die Autorinnen doch ein wenig anders an das Motiv der ‚High School-Vampires in Love’ herangehen.

Ihre Protagonisten sind frech, witzig und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist (was manchmal schon ein bisschen zu ‚cool’, zu dick aufgetragen wirkt). Sie jammern nicht lange, sondern handeln spontan, so dass die Geschichte voran kommt und immer wieder mit überraschenden Wendungen aufwartet. Selbst die romantischen Szenen sind weniger steif und durchweg nachvollziehbarer, auch wenn die Beteiligten – noch – nicht bis zum Äußersten gehen.

Von daher ist der Titel auch für das reifere Publikum reizvoll, denn man erlebt Jugendliche auf der Schwelle zum Erwachsenen, die noch einige Teenager-Probleme bewältigen müssen und sich entsprechend verhalten, dabei aber immer mehr Verantwortung übernehmen und sich weiter entwickeln. Die Charaktere können überzeugend ihre Rollen erfüllen, selbst Zoey, die schon arg viele Superlative aufweist.

Die Story ist spannend und gerade in „Betrogen“ überaus dramatisch und tragisch, da Verluste bewältigt und schlimme Tatsachen akzeptiert werden müssen. Leider ist dieser zweite Roman ein richtiger ‚Mittelband’, in dem zwar eine Menge passiert, die Handlung weiter kommt und eine Wende nimmt, der aber zu wenige Antworten gibt. Am Ende darf man reichlich spekulieren – und hoffen, dass die Fortsetzung, „Erwählt“, die Fischer für August 2010 angekündigt hat, wenigstens einige Enthüllungen bietet.

Hat man Gefallen am ersten Teil von „House of Night“ gefunden, wird man gewiss auch die nächsten Bücher lesen wollen, von denen es, laut den Autorinnen, wenigstens 15 geben soll. Das bedeutet eine Menge atemberaubende und romantische Spannung für Leserinnen ab 14 Jahre.