Tim Curran: Skin Medicine – Die letzte Grenze (Buch)

Tim Curran
Skin Medicine – Die letzte Grenze
(Skin Medicine)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Raimund Gerstäcker
Titelillustration von Michael Schubert
Luzifer, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 390 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-95835-028-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Whisper Lake, Utah, ist eine ganz typische Minenstadt. Überall wo man in der Erde reiche Bodenschätze findet, kommen die Menschen zusammen um den Reichtum auszubeuten. Drei verschiedene Silber-Unternehmen wetteifern in der Stadt, die Saloons, Bordelle und selbst der eine Arzt stehen im Dienst der Minengesellschaften. Dass es hier rau zugeht, ist normal, doch in letzter Zeit mehren sich die Gewaltverbrechen, denen der örtliche Sheriff nachgehen muss. Messerstechereien und Prügeleien sind an der Tagesordnung, doch auch die Colts sitzen locker.

Als ein Kopfgeldjäger, der mit dem Sheriff noch eine Rechnung offen hat, auf der Suche nach einem perversen Serienkiller in die Stadt kommt, scheint eine Grenze überschritten zu sein. Im benachbarten Sunrise, einer alten, fast aufgegebenen Goldgräberortschaft, haben Tiere oder menschliche Bestien gewütet und alle Einwohner bestialisch geschlachtet, ja gefressen. Der Sheriff hat schon viel gesehen, aber angesichts des Gemetzels, das ihm hier begegnet, hat auch er Mühe, die Eindrücke des Massakers zu verarbeiten.

Gleichzeitig ist der Sin City Strangler in Whisper Lake nicht untätig. Eine erste Hure wird ausgeweidet aufgefunden, die Gedärme um sie drapiert, das Herz fehlend.

Haben beide Vorkommnisse gar etwas miteinander zu tun und wird das Böse, das in die Gegend gekommen ist, überhaupt zu stoppen sein?

Tim Curran ist für den Fan der unheimlichen Literatur wahrlich kein Unbekannter. Was der erfahrene Horror-Autor aber hier vorliegt, das hat mich zumindest überrascht.

Den Leser erwartet eine überaus gelungene Mischung aus Western-Motiven und einer übernatürlichen Handlung.

Mit großem Fachwissen um die Lebensumstände im 19. Jahrhundert, den Kämpfen und Kriegen in den südwestlichen Staaten der sich gerade bildenden USA ausgestattet, zeichnet der Autor das Bild eines Wilden Westens, das sich von den bekannten Klischees doch markant unterscheidet. Hier wirkt nicht alles klinisch rein und sauber geordnet, stattdessen wird das Leben als mühsam dargestellt, versinken die Straßen im Dreck und leeren die Huren ihre Nachttöpfe auf den Gehweg. Das verleiht dem Roman als Setting eine gewisse Wahrhaftigkeit, in der die grauenhaften Verbrechen dann umso greller einbrechen.

Und diese habe es in sich; wir erfahren die Geschichte eines Mannes, dessen Mutter als Hexe verbrannt wurde, erleben mit, wie der Mann das Böse in sich im Bürgerkrieg zunächst gegen die Mexikaner und später gegen die Indianer entdeckt, hegt und entwickelt. Mehr noch, als er die Überreste eines vernichteten indianischen Stammes findet, kommt er auf den Geschmack – nach Menschenfleisch.

Das ist von den Motiven her zwar nicht unbedingt neu oder sonderlich innovativ, dafür aber in der Mischung zwischen knallharten Western-Motiven und Horror-Sequenzen genial konstruiert. Gerade, weil wir die verwandten Versatzstücke zu kennen glauben, wirken die Einbrüche des Grauens in diese vertraute Umgebung umso greller.

Das hat unzweifelhaft Suchtcharakter, liest sich spannend und faszinierend und bietet letztlich ungewohnte, aber bockstarke Kost.