Die Welt von Lucie 2: Am Leben bleiben... (Comic)

Die Welt von Lucie 2
Am Leben bleiben...
(Le Monde de Lucie: Deuxième volume [Rester en vie …] épisodes 5 et 6; Troisième volume [Lucie(s)])
Text: Kris
Zeichnungen: Guillaume Martinez
Übersetzung: Monja Reichert und Steffen Haubner
Splitter, 2011, Hardcover, 144 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-86869-098-9

Von Frank Drehmel

Sowohl inhaltlich, als auch „strukturell“ sprengt dieser abschließende Band wie schon der erste Teil den Rahmen dessen, was man als Comic-Fan gewohnt ist und was viele Leser für erträglich oder wünschenswert erachten. Nicht nur, dass die Story äußerst kompliziert konstruiert ist, sondern auch die Handlungs- und Spannungsarmut machen es dem Leser schwer, am Leben oder wenigstens wachzubleiben.

Szenarist Christophe Goret (Kris) entwickelt seine Geschichte im Wesentlichen in drei Haupthandlungssträngen, die allerdings zahlreiche Berührungspunkte aufweisen. Zunächst wäre da Chief Inspector Mike Roberval, der nach wie vor versucht, den Tod seines Ex-Kollegen Karakis aufzuklären, für den er den Telepathen Sascha Iablokov verantwortlich macht. Da der ehemalige SPMR-Mitarbeiter jedoch vom Vorgesetzten Robervals für tabu erklärt wird, muss sich der Chief Inspector mit anderweitigen Ermittlungen begnügen, in deren Verlauf es nicht nur zu weiteren Toten kommt, sondern die ihn auch auf die Spur einer Verschwörung und eines monströsen Plans führen, mit dem die Church of God – die COG – in Las Vegas für Chaos sorgen will und dessen Wurzeln bis tief in die Vergangenheit und zu den Telepathen-Experimenten Doktor Szymanskis reichen.

Während Roberval immer tiefer in den Sumpf aus Geheimdiensten und Para-Wissenschaft eindringt, begeben sich Sascha Iablokov und Carol Szymanskis, die Tochter des gewissenlosen Forschers, nach Novosibirsk, um in dem Waisenhaus, in dem vor langer Zeit die tödlichen Experimente durchgeführt wurden, der Entität auf die Spur zu kommen, die Sascha für einen Poltergeist hält, nicht ahnend, dass sie dadurch die Hintermänner der rätselhaften Vorgänge zum Handeln zwingen.

Zur gleichen Zeit hat es die junge Soledad sowie ihre seltsame Freundin Lucie, die über besondere Kräfte zu verfügen scheint, in die Gefangenschaft der COG verschlagen, wo man zwar versucht, die Geisteskräfte Lucies zu neutralisieren, man die Rechnung jedoch ohne Iablokovs Auftauchen in Russland gemacht hat.

Schon von der ersten Seite an sieht sich der Leser einer Handlung gegenüber, die sich vor allem durch eines auszeichnet: ihren komplizierten Aufbau. Für den Leser gerät es dabei aufgrund fehlender Orts- und Zeitindices zu einem mühsamen Unterfangen, Ordnung in die unterschiedlichen und schnell wechselnden Ebenen zu bringen, zumal auch die grafische Abgrenzung zu wünschen übrig lässt. Zwar deuten regelmäßig schmale, seitenbreite Panels auf einen Zeit- und/oder Ortssprung hin, zumindest dann, wenn der Wechsel innerhalb einer Seite erfolgt, jedoch gibt es an verschiedenen Stellen Ausnahmen von dieser „Regel“.

Inhaltlich ist das herausragendste Merkmal eine geradezu bleierne Trägheit, mit der sich die Story über Dialoge und fast schon dokumentarisch beschreibende Bilder entwickelt. Wer auch nur den Hauch von „Action“ sucht oder wenigstens künstlerische Eye-Catcher und Dramatik, der wird mit dem vorliegenden Sammelband alles andere als glücklich werden, denn selbst in den wenigen Szenen, in denen Gewalt ein bestimmendes Moment ist, findet diese Gewalt weitgehend außerhalb des Blickfeldes des Betrachters statt und wird lediglich durch den Text transportiert. Bemerkenswerterweise erweist sich schlussendlich die Auflösung der meisten Rätsel als genauso unspektakulär und beiläufig, wie der Rest der Story, sodass auch an dieser Stelle jegliche Überraschung, jedes „Wow“-Gefühl im Keim erstickt wird.

So dahinplätschernd die Story, so spannungsfrei das Artwork. Guillaumes dokumentarischer, distanzierter Stil lässt emotionale Nähe zu den Figuren kaum zu, sodass es der Koloration vorbehalten bleibt, wenigstens an einigen Stellen ein Quäntchen Atmosphäre und Stimmung zu transportieren.

Fazit: Der inhaltlich wie visuell enttäuschend langweilige, langatmige und undramatische Abschluss einer Serie, deren Mystery-Potenzial nicht ansatzweise ausgeschöpft wird und in der das Paranormale schlussendlich so dunkel daherkommt wie eine laue Frühlingsbrise.