SCREAM 3: Die Weihnachtsbraut, Barbara Büchner (Buch)

Barbara Büchner
Die Weihnachtsbraut
SCREAM 3
Titelbild und Innenillustration von Mark Freier
Voodoo Press, 2011, Paperback, 198 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-902802-08-8

Von Carsten Kuhr

Mit fast vierzig Jahren ist Fiona in einem Alter, in dem die biologische Uhr tickt. Als ihre Tante ihr eine ansprechende Heiratsanzeige eines vermögenden, jedoch laut eigenen Angaben sehr zurückhaltenden Mannes zeigt, beschließt sie, sich den Bindungswilligen einmal anzuschauen.

Ein erstes Treffen in einem gediegenen Café präsentiert ihr einen ansehnlichen, distinguierten Herrn, der offensichtlich ganz in seinen häuslichen Forschungen im Bereich der Genealogie aufgeht. Eine erste Einladung in das Anwesen der Mersenbecks, wie die alt-ehrwürdige Familie heißt, folgt, die sie in ein Haus führt, das einem Museum gleicht. Teure Antiquitäten bezeugen die liebevoll gepflegte Tradition. Neben Maurice lernt sie auch dessen unsympathischen Cousin Marcel kennen. Trotz eines gewissen, zunächst nicht näher bestimmbaren Unwillens insbesondere Marcel gegenüber, ist Fiona von ihrem Galan fasziniert. Sie will mehr über ihn, seine Familie und deren Geschichte erfahren.

Während ein Unbekannter sie vor tödlichen Gefahren im Hause Mersenbecks warnt, macht sich die Bibliothekarin auf die Suche nach Spuren. Dabei stößt sie in alten Überlieferungen aber auch aktuellen Veröffentlichungen und in Forschungseinrichtungen auf Hinweise auf eine alte, lang vergessene Bruderrasse des Menschen. Die Siblinge, Mischlinge der amphibischen Wesen mit den Menschen, verehren weiterhin die große Tiefe, das UOB. Wie jedes Jahr zum Julfest fordert ein Ritual ein Opfer, eine Rolle, die Fiona zugedacht ist…

Barbara Büchner verfasst für Piper unter ihrem Pseudonym Julia Conrad sehr erfolgreich Romane um Drachen. Ihre wahre Liebe aber galt und gilt, geht man von den mannigfaltigen Veröffentlichungen insbesondere bei den engagierten Kleinverlagen aus, nicht der Fantasy sondern der Phantastischen Literatur. In Kurzgeschichten und Romanen wandelt sie auf den Spuren Lovecrafts und Poes, berichtet dem Leser immer wieder vom Einbruch des Unheimlichen in eine scheinbar idyllische Realität. Vorliegende Veröffentlichung, die der Verlag mit zwei Innenillustrationen bedacht hat, beweist dies geradezu exemplarisch.

Die Autorin entführt uns in eine Welt, die zunächst ein wenig altbacken daherkommt. Eine alte Jungfer, eine eher zurückhaltende Bibliothekarin zudem, meldet sich auf eine Bekanntschaftsanzeige. Man trifft sich in gediegenen Cafés, der Suchende entpuppt sich als introvertierter, überaus schüchterner Gelehrter aus scheinbar gutem Hause. Eigentlich die perfekte Ausgangslage für eine ebenso vorhersehbare, wie langweilige Romanze – sollte man zumindest meinen. Doch dann nimmt die Handlung eine unvorhersehbare Wendung. Indizien machen die Bibliothekarin misstrauisch, ihr beruflicher Spürsinn regt sich, sie geht auf die Suche nach Spuren und Beweisen – und stößt in Gesprächen und Publikationen auf bewusst totgeschwiegene Hinweise auf eine äonen-alte Gschwisterrasse des Menschen. Das erinnert im Groben ein wenig an Lovecraft’sche Vorbilder, geht aber inhaltlich wie von der Ausführung her ganz eigene Wege.

Stilistisch ansprechend begleiten wir unsere Protagonistin auf ihrer Suche nach Hinweisen und Erkenntnissen. Nach und nach erschließt sich ihr und mit ihr dem Leser dann ein faszinierendes Bild eines vergessenen, mittlerweile degenerierten Volkes. Das schockt nicht mit billigen Bluteffekten oder plakativer Gewalt, sondern überzeugt den Leser auf der scheinbar rationalen Ebene von der Wirklichkeit des Grauens. Gerade weil Fiona sich auf empirische Daten stützt, sich mit Forschern unterhält und in Museen und Sanatorien Aufklärung findet, lässt sich die Erkenntnis nicht einfach leugnen. Geschickt taucht sie immer tiefer in die Fakten ein, lernt Geheimnisse und verdrängte Forschungsergebnisse kennen und muss selbst urteilen. Insofern ist der zwar handlungstechnisch logische Schluss auch ein wenig enttäuschend. Statt den eingeschlagenen Weg der Selbsterkenntnis weiterzugehen, übernimmt die Gewalt die Zügel, wird sie von der Forscherin zum hilflosen Opfer. Ansonsten ein mustergültiger Roman, der den Leser langsam, fast unmerklich in seinen Bann zieht und fesselt.