Dein letztes Leben 1: Erstes Buch (Comic)

Dein letztes Leben 1
Erstes Buch
( La ultima vida: Libro 1)
Text & Artwork: Juan Giménez
Übersetzung: Oriol Schreibweis
Splitter, 2011, 72 Seiten, 16,80 EUR, ISBN 978-3-86869-403-1 (auch als limitierter, signierter Kunstdruck erhältlich, 39,80 EUR, ISBN 978-3-86869-459-8)

Von Frank Drehmel

Dadurch, dass Fito Pavesa eine Demo-Diskette in das Laufwerk seines Computers schiebt, setzt er Unglaubliches in Gang: Ein Lichtstrahl, der aus seinem Monitor schießt, zerlegt den Jungen in digitale Einzelteile und befördert ihn leibhaftig in die virtuelle Welt von New World Games, in der sich die unterschiedlichsten Arten von mehr oder weniger bedrohlichen Science-Fiction- und Fantasy-Figuren tummeln.

Überwältigt und entsetzt wählt Fito einen virtuellen Notausgang in Form einer implementierten Escape-Funktion und zerstört anschließend seine Diskette. Doch das Erlebte lässt ihn gedanklich nicht los, und als eine Freundin von ihm, Clara Rodriguez, vor ihrem PC im Koma liegend gefunden wird, ahnt Fito, dass von diesem Demo-Spiel eine tödlich Gefahr ausgehen könnte. Dennoch erliegt er zunächst der Faszination der virtuellen Welt, die er nun mittels Claras Disk, die ihren Weg zu ihm gefunden hat, zu betreten vermag. Es dauert jedoch nicht lange, bis ihm das Ganze über den Kopf wächst und er professionellen Rat sucht.

Hier bietet sich der für Games zuständige Redakteur der Computer-Spielezeitschrift „Microflipp“ an, ein Nerd namens Raf Pick. Obgleich Raf dem Jungen zunächst keinen Glauben schenkt, lässt er sich zu einer Demonstration überreden und findet sich plötzlich zusammen mit Fito in einem Science-Fantasy-Shooter wieder, der sich gewaschen hat. Auch wenn sie dieses Spiel überstürzt verlassen müssen, ist bei Raf das Fieber geweckt, da er im Gegensatz zu Fito eher das unglaubliche Unterhaltungs- denn das Gefahren-Potenzial der Demo sieht. Dass die Diskette eine Technik enthalten muss, die weit von dem entfernt ist, was zur Zeit auf dem regulären Markt an Speichermedien verfügbar ist, stachelt die investigative Seele des Redakteurs nur weiter an, und so überredet er Fito erneut zu einem tödlichen Team-Match.

Überzeugende Geschichten sehen anders aus. Juan Giménez Story wirkt für jemanden, der mit Computer-Spielen groß beziehungsweise alt geworden ist, vordergründig, naiv – ja regelrecht putzig – und vor allem anachronistisch. Die platten, trivialpsychologisch gezeichneten Figuren tun ein Übriges, damit sich die erzählerische Spannung in Grenzen hält.

Spätestens seit Disneys „Tron“ aus dem Jahre 1982 – also nicht das in jeder Hinsicht unsägliche Sequel des Jahres 2010 – haut die Digitalisierung von Leuten keinen mehr vom Hocker, erst Recht nicht, wenn sie so ohne jegliche technische Grundplausibilität stattfindet.

Auch wenn der Grundplot der Geschichte ziemlich ausgelutscht wirkt, so könnte sich im Entwurf der einzelnen Spiele-Szenarien ein Quäntchen Spannung verbergen. Tut es aber nicht: sechs Seiten verschwendet Giménez allein mit einem Spiel Strippoker, in dem Fito gegen eine enormobrüstische Virtuell-Tusse Karten und Höschen schwenkt, der Rest der Spielzeit geht durch ideenlose Nullachtfünfzehn-Shooter flöten.

Obgleich die Story alles andere als ein Eigelb ist, so kommt das Artwork vergleichsweise unterhaltsam daher. Der typische Giménez-Stil mit seinem leichten, kreidig aquarellierenden Farbauftrag, den weit aufgerissen wirkenden Augen der Protagonisten – ein Effekt, der daraus resultiert, dass der Künstler die Iris generell als ganzen Kreis darstellt und nicht wie üblich oben und unten durch die Lider „anschneidet“ – sowie der visuell gefällig durchgestylten Technik beziehungsweise Exotik sorgt für die Lebendigkeit und Originalität, die der Geschichte selbst fehlen.

Fazit: Einmal mehr belegt Giménez, dass er weniger ein guter Autor als ein begnadeter Künstler ist. So pfui die Story, so hui das Artwork ... jedenfalls unterm Strich. Für Giménez-Fans sicher ein must-have.