Zeit der Asche (Comic)

Zeit der Asche
(Légendes des contrées, volumes 1 – 3)
Text: Bruno Chevalier
Artwork: Thierry Ségur
Übersetzung: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2011, Hardcover, 152 Seiten, 29,80 EUR, ISBN 978-3-86869-275-4 (auch als limitierter, signierter Kunstdruck erhältlich, 39,80 EUR, ISBN 978-3-86869-276-1)

Von Frank Drehmel

Der vorliegende Sammelband vereint die drei Alben einer Heroic-Fantasy-Serie, die im französischen Original ursprünglich in den Jahren 1987 bis 1992 bei Delcourt veröffentlicht wurde, die jedoch bis dato in Deutschland weitgehend unbekannt blieb, obgleich die Comics erzählerisch wenigstens ungewöhnlich und im Artwork sogar einzigartig sind.

Der Thron des Zwergenreiches ist verwaist, da nach langer, langer Herrschaft der alte König das Zeitliche gesegnet hat und sein designierter Nachfolger im Norden der Welt verschollen ist. Drei Zwergen ist es laut einer Prophezeiung bestimmt, den Verschollenen zu suchen und zu finden. Die Wahl des Rates fällt auf Noren, Oten und Aren. Schon bald schließt sich ihnen in einem unbekannten Dschungel der verschlagene Spitzbube Firfin an, der zur elfenhaften Rasse der Lin gehört und der glaubt, die drei unerfahrenen Sucher nach Strich und Faden ausnehmen zu können.

In der Stadt Gaedor hofft die Gruppe, Unterstützung für ihre zunehmend gefährlicher werdende Reise rekrutieren zu können; als jedoch die Suche nach Söldnern erfolglos bleibt, entschließen sie sich, den hünenhaften Sklaven Morkai zu kaufen, der zur Rasse der Akai gehörend zwar Bärenkräfte aber nur wenig Verstand besitzt. Die nunmehr fünf Gefährten müssen die Stadt Hals über Kopf verlassen, als Morkai aus Versehen in einem Wirtshaus einen Gast bei einer Rauferei tötet.

Auch wenn sie entkommen, so ist den Fliehenden Firfins bösartiger Bruder, Mirlin, auf den Fersen. Und nicht nur das: sie haben die Aufmerksamkeit des uralten Mächtigen Ssin erregt, der ihnen, da er ein unheiliges Interesse an den Zwergen hat, seine Schergen – die Morbalen – hinterher schickt. Während des Kampfes mit diesen Unwesen fallen augenscheinlich Oten, Aren und Morkai, während Noren und Firfin dem Massaker entkommen.

Kurz nachdem sie einen zweiten Mächtigen, den alten Ewandor, aufgesucht haben, stößt der totgeglaubte Morkai zu ihnen, sodass sie zu dritt ihre Queste nach dem verschwundenen Nachfolger fortsetzen, eine Reise, die sie in die gefährlichsten Gefilde und Gegenden der Welt führt und sie auf zahllose tödliche Gegner wie den Donnerritter Hurl, der im Dienste Ssins steht, treffen lässt. Im Land der Träume erfährt Noren schließlich die Wahrheit über eine monströse, lange zurückliegenden Intrige der Mächtigen, die zwar seine Perspektive zurechtrückt, die aber nichts daran ändert, dass Ssin mittlerweile drei seiner Sklaven ins Zwergenreich entsandt hat, damit einer von ihnen den verwaisten Thron besteigen.

Bruno Chevaliers Geschichte enthält alles, was Heroic Fantasy so mitreißend machen kann: bizarre Figuren, ambivalente Charaktere, phantastische Länder und Reiche, Magie, Tragödien, Intrigen, Action, gefährliche Questen und unvorhersehbare Wendungen. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass das Gute, das Reine und Schöne in Chevaliers durch und durch grausamer Welt entgegen landläufiger Fantasy quasi inexistent sind und selbst die Hauptfiguren bestenfalls nicht ganz böse oder ganz wahnsinnig sind, sondern ab und an auch gute und manchmal sogar heldenhafte Züge an den Tag legen, ohne jedoch ihre Bedrohlichkeit, die in ihnen wohnende Dunkelheit, einzubüßen oder zu verleugnen.

Auch wenn Chevaliers Geschichte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und ihrer ungewöhnlichen Charaktere hundertprozentig überzeugt, so stellt Ségurs einzigartiges Artwork gleichsam einen Superlativ dar. Zeichnerisch dominieren weiche, wuchernde, knotige Formen die hochdynamischen Bilder voller kleiner, fast schon beiläufig in Szene gesetzter bösartiger Details, Formen, die sich winden, drehen, verrenken, umeinander schlingen und schließlich in Zacken, Spitzen, Graten auslaufen. In Farbgebung herrschen alle Arten pastellener Töne vor, die vom freundlichen Bunt ins kränklich Fahle changieren, die eine tiefe Morbidität, Krankhaftigkeit und Verseuchtheit ausstrahlen und visuell gleichermaßen von Leben wie von Tod strotzend wirken. Ich kann mich an kein Artwork und vor allem keine Koloration, erinnern, die mich mehr beeindruckte, als das, was Thierry Ségur in „Zeit der Asche“ zustande gebracht hat.

Fazit: Eine dramatische, hochspannende, wendungsreiche Fantasy-Geschichte von inhaltlich unvergleichlich morbider, grausamer, kränklicher Atmosphäre, deren visuelle Umsetzung das Beste ist, an das ich mich erinnern kann. Im ohnehin schon starken Programm des Splitter Verlags der Höhepunkt schlechthin. Wer es sich leisten möchte, sollte sich die limitierte Sonderausgabe besorgen; wenn ein Comic eine solche Sonder-Edition wert ist, dann ganz sicher „Zeit der Asche“.