Frostfeuer 1: Herzzapfen (Comic)

Frostfeuer 1
Herzzapfen
Idee: Kai Meyer
Text: Yann Krehl
Zeichnungen: Marie Sann
Splitter, 2011, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-293-8

Von Frank Drehmel

Nach der Comic-Adaption von Kai Meyers „Wolkenvolk“-Trilogie, von der unlängst das vierte großformatige Album veröffentlicht wurde, startet der Splitter-Verlag nun mit „Herzzapfen“ eine weitere dreibändige Reihe unter eigener Ägide. Für die Text-Adaption des preisgekrönten Kinder-Romans „Frostfeuer“ zeichnet erneut Yann Krehl verantwortlich, während die künstlerische Umsetzung diesmal in den Händen Marie Sanns liegt. Als Ausgangspunkt der Geschichte diente Kai Meyer das Märchen von der Schneekönigin des dänischen Dichters und Schriftstellers Hans Christian Andersen.

„Wo Nacht und Norden enden, liegt über Nebeln die Feste der Schneekönigin“. In den eisigen Kammern verborgen ruht das Herz der kalten Frau, das sie sich einst herausschnitt, auf dass keine freudvollen Gefühle ihre schwarze Seele wärmen. Eines Tages wird dieses Herz von einem Unbekannten gestohlen. Und auch wenn die Königin das Herz außerhalb ihres Körpers verwahrte, so bedeutet sein Verlust dennoch ihren langsamen Tod. Die Suche nach dem gestohlen Organ führt die bleiche Frau in das in Schnee versinkende Sankt Petersburg und dort als Gast in das Grandhotel Aurora, wo die junge Hotelangestellte Maus als Schuhputzerin arbeitet.

Geboren im Hotel hat Maus die endlosen Gänge, die unzähligen Zimmer und Kammern noch nie verlassen, sodass die Welt da draußen nicht die ihre ist. Doch auch innerhalb der Mauern ist das Leben nicht das leichteste, denn nicht jeder Angestellte ist ihr freundlich gesinnt. Eines Tages erlauben sich einige ihrer jungen Kollegen einen derben Spaß und stoßen das Mädchen vor die Tür in die eiskalte Nacht. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie jämmerlich erfriert, rettet ihr eine Fremde das Leben und bring sie zurück ins Hotel.

Dieser kurze Kontakt ist der Grund dafür, dass die Schneekönigin auf Maus aufmerksam wird, denn die fremde Frau ist Tamsin Spellwell, die Diebin des Herzens der bösen Herrscherin und eine augenscheinlich freundliche Person, die mit der Königin eine alte und tödliche Rechnung offen hat. Und ehe sie sich versieht, findet sich Maus in einem Abenteuer wieder, in dem das Schicksal der Stadt und noch viel mehr auf dem Spiel stehen könnte, denn aus der sterbenden Königin fließt die Kälte vom Anbeginn der Zeit in die Welt.

Während die „Wolkenvolk“-Adaption bisher unterm Strich nicht vollends zu überzeugen vermag, legen die Kreativen mit „Herzzapfen“ ein Comic hin, das den Leser von der ersten Seite an poetisch und leicht in eine Welt an der Grenze zwischen düsterer, bedrückender Realität und magischen Wundern und Geheimnissen entführt. Auch wenn Andersens Märchen den Ausgangspunkt der Geschichte bildet, so entfalten die Figuren so rasch ein Eigenleben, kommen im Bösen wie im Guten allesamt so charismatisch und stark daher, dass sie im neuen Szenario, im eigenen Meyer'schen Kontext, den Ursprung der Story schlichtweg Vergessen machen.

Herausragend ist die künstlerische Umsetzung dieses Albums. Auf der zeichnerischen Ebene spielt Sann mit den Konturen der Figuren, wechselt je nach Stimmung zwischen einem vergleichsweise holzschnitthaften, leicht kantigem Duktus und zarten, dynamischen oder sich in Farben auflösenden Linien, sodass die Zeichnungen gleichermaßen kraftvoll rau und gefühlvoll weich wirken. Dabei wird die Emotionalität ganz zentral auch über die großen, mangahaft ausdrucksstarken Augen der Hauptprotagonistin getragen. In der weichen, nuancenreichen Koloration spiegeln sich sowohl die Kühle des Winters, als auch die Enge und Muffigkeit des Hotels wider, wobei ein schwarzes Gtter sowohl die Brillanz der Farben, als auch die Enge der Innenräume des Hotels visuell unterstreicht.

Fazit: Eine zauber- und märchenhafte Geschichte voller Poesie, getragen von starken Charakteren und in grandios stimmungsvolle Bilder gebannt. Ein echtes Highlight im Splitter-Programm – unbedingt empfehlenswert!