Fringe 1: Der Anfang (Comic)

Zack Whedon, Julia Cho, Mike Johnson u.a.
Fringe 1
Der Anfang
Aus dem Amerikanischen von Hartmut Klotzbücher
Zeichnungen von Tom Mandrake & Simon Coleby
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 148 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201-150-6

Von Frank Drehmel

Es gibt TV-Shows, die fesseln einen von der Pilotfolge an; es gibt Serien, deren Nägelkau-Potenzial entwickelt sich ganz allmählich; und es gibt Serien wie „Fringe“, da rätselt man mit jeder Folge neu, warum überhaupt ein Nicht-Masochist freiwillig so etwas schaut. Am quasi charismafreien Cast kann es jedenfalls genauso wenig liegen wie an der Storymischung aus hausbackenem SF-Müll und wirrer Parallel-Universums-Thematik.

Da ich selbst mich nur an wenig unerfreulichere TV-Serien erinnern kann, hielt sich meine Vorab-Begeisterung ob dieses Tradepaperback – gelinde gesagt – in Grenzen, zumal mit Walter Bishop eine Figur im Mittelpunkt der ersten Geschichten steht, deren gesamtes Konzept und deren gesamter Hintergrund geradezu anachronistisch antiquiert wirken: ein Q der Wissenschaft, eine Mischung aus Timothy Leary, Albert Einstein, Marie Curie und überhaupt aller Nobel-Preisträger aller naturwissenschaftlicher Disziplinen und aller Zeiten, der wie MacGyver nur mit einem Bunsenbrenner, einem Wattestäbchen und einer Cola-Flasche in einem Labor, gegen dessen Einrichtung ein bulgarisches Kinderheim geradezu feudal wirkt, bei Bedarf in seiner Mittagspause zwischen der vormittäglichen Entwicklung einer Zeitmaschine und dem nachmittäglichen Klonen ein Heilmittel gegen Krebs, Ebola und Fußgeruch kreiert.

Und dann das: der Comic-Walter ist ein – verglichen mit seinem TV-Alter-Ego – normaler, junger Nerd, der zusammen mit seinem Harvard-Kumpel William Bell, Grenzen der Erkenntnis auszutesten und zu überschreiten versucht, was allerdings bei den Laborbedingungen vor Ort nur mäßigen Erfolg verspricht. Wie gut, dass in ihrem Labor ein Fremder auftaucht, der ihnen exzellente Forschungsbedingungen verspricht, sie stante pede anheuert und nach Alaska verfrachtet. Hier taumeln die beiden jungen Koryphäen in ein Abenteuer, das sie nicht nur – im wörtlichen Sinne – den Kopf kosten kann, sondern landen schließlich mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in einer Nazi-Forschungsanstalt, was für einen amerikanischen Wissenschaftler zumindest dann unerfreulich werden kann, wenn er nicht Protektion durch seinen deutschen Vater erhält.

Die zweite Hälfte des Tradepaperbacks bilden unter dem Motto „Geschichten aus der Grenzwelt“" kürzere Storys, die mit den eigentlichen Fringe-Figuren-Universum nur lose verbunden und die nach dem alten Weird-Science-Ansatz der Pulp-Ära konzipiert sind.

Da das kontrastreiche, gleichermaßen detailliert-klare wie düstere Artwork Tom Mandrakes über jeden Zweifel erhaben ist, soll sich die Frage nach der Empfehlung dieses Sammelbandes an der inhaltlichen Ebene entscheiden.

Positiv hervorzuheben ist die im Vergleich zur TV-Show relativ bodenständige Figurenzeichnung, die auf die extremen und äußerst lächerlichen Überzeichnungen wissenschaftlichen Handelns und technischen Know Hows weitgehend verzichtet. Dadurch wirken Bell und Bishop in ihrem SF-Kontext – mit landläufiger Mystery oder Horror hat Fringe nun wirklich nichts (mehr) zu tun –, in ihrem Biotop natürlich, lebendig und geradezu sympathisch. Zudem ist es nicht unbedingt notwendig, die Serie zu kennen, um den Comic zu mögen, denn das „Verrückter Wissenschaftler trifft auf Nazis“-Konzept beziehungsweise eine Verschwörungsparanoiker-Story funktioniert auch für sich alleine so gut oder schlecht wie viele Pulp-Stories aus dem ersten Drittel des vorherigen Jahrhunderts. Negativ ins Gewicht fällt dann aber doch die Klischeehaftigkeit der Erzählungen, die letztlich keine wirklich neuen Blickwinkel beziehungsweise Anknüpfungspunkte finden, sowie die Humorlosigkeit beziehungsweise das Fehlen einer selbstironischen Ebene.

Fazit: Da sowohl Kenner als auch Unbeteiligte – und sogar bekennende „Fringe“-Hasser – auf ihre Kosten kommen können und zudem das Artwork Mandrakes einmal mehr ein echter Hingucker ist, kann am Ende nur eine Empfehlung stehen, auch wenn die Storys nicht wirklich neu und nicht frei von Stereotypen und Klischees sind.