Armin Rößler & Heidrun Jänchen (Hrsg.) Emotio (Buch)

Armin Rößler & Heidrun Jänchen (Hrsg.)
Emotio
Titelbild: Alexander Preuss
Wurdack, 2011, Paperback, 286 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-938065-75-4

Von Gunther Barnewald

Die hier vorliegende Original-Anthologie deutscher SF-Autoren ist die elfte ihrer Art im Wurdack Verlag und über das gleichmäßig hohe Niveau der meisten Storys kann man sich als Leser nur wundern, denn unter den 16 Geschichten finden sich diesmal nicht nur fünf überragende Kurzgeschichten, sondern auch nur ein einziger Totalausfall, während die verbliebenen anderen zehn Texte gut lesbar sind. Man muss mittlerweile sogar konstatieren, dass die Wurdack-Anthologien den von Helmuth W. Mommers dereinst bei Shayol herausgegebenen hervorragenden Original-Anthologien deutscher SF-Autoren das Wasser reichen können. Deshalb ein großes Lob an die beiden Herausgeber, die auch selbst jeweils eine Kurzgeschichte zu der Anthologie beigesteuert haben.

Dass diese nicht die schlechtesten sein müssen, beweist diesmal vor allem Heidrun Jänchen, die mit ihrer wundervollen Story wahrlich den Vogel abschießt. Ihre Verquickung des Themas menschlicher Sextourismus auf fremden Planeten mit der Botschaft, findige, geschäftstüchtige Aliens trotz deren scheinbarer Provinzialität nie zu unterschätzen, ist einfach ein genialer Brüller, und sollte Jänchen dafür nicht mindestens die Nominierung bei allen bedeutenden deutsche SF-Preisen bekommen, geht es hierzulande nicht mit rechten Dingen zu!

Ebenfalls extrem lesenswert ist Karsten Kruschels exotische Geschichte „Violets Verlies”, die allen begeisterten Lesern seines Werkes um den Planeten Vilm neues Lesefutter liefern dürfte, denn erneut gelingt dem Autor eine glaubhafte Darstellung einer wirklich fremden Biosphäre.

Wirklich witzig und dabei verdammt hart an der zukünftigen Realität bewegen sich Uwe Post und Uwe Herrmann in einer gemeinsam verfassten Geschichte, bei der den Leser allerdings der Verdacht beschleicht, die beiden Autoren hätten jeweils abwechselnd ein Kapitel geschrieben, sodass einer aus Sicht eines elektronischen Hunde-Androiden erzählt, der andere aus Sicht eines abgebrannten Schädlingbekämpfers, der sich mit einer Rotte künstlicher Haustiere anlegen muss, die durch einen Cyberhack zu einem Diebstahl in großem Stile animiert werden. Wie der arme Mensch hier mit den Tücken der Technik kämpft, nur um schlussendlich korrumpiert zu werden, ist einfach wahnsinnig lustig.

Stilistisch herausragend und auch inhaltlich überzeugend ist die Story von Thomas Templ, der eine unglaublich clevere Vermischung von SF und scheinbarer Fantasy betreibt, die wohl Arthur C. Clarkes Ausspruch folgt, dass jede diffizil angewandte Technik immer wie Magie wirkt. Hier steht eine junge „Technikhexe” der bedrohten Landbevölkerung bei, ein Sujet, welches der Autor sicherlich auch in einem längeren Text innovativ ausbauen könnte (und sollte!).

Letztes absolutes Highlight und somit sehr gut gelungen ist Arno Endlers Kurzgeschichte, die aus Sicht eines Blinden einfühlsam dessen Weltsicht beschreibt. Auch wenn der Plot mit der üblichen deutschen Paranoia glänzt, so schafft es der Autor doch durch sein gutes Einfühlungsvermögen und seinen wirkungsvollen Stil, den Leser ganz in seine Story hineinzuziehen.

Aber auch viele andere Geschichten sind durchaus goutabel. Ebenfalls erwähnenswert ist die humorvolle Story von Niklas Peinecke, in der Menschen dank eines speziellen Hundefutters heftigen körperlichen und geistigen Veränderungen ausgesetzt sind, und Frank W. Haubolds intelligente, erzählerische Variante eines Generationenraumschiffs, welches mit der Schwierigkeit zu kämpfen hat, dass die Menschen aus ihren beschränkten Verhältnissen gar nicht mehr weg wollen. Auch Armin Rößler und Karina Cajo liefern sehr gute und überaus lesbare Geschichten ab.

Selbst die (am hier von einigen Autoren vorgelegten extrem hohen Niveau gemessen) etwas schwächeren Geschichten (Ernst-Eberhard Manski, Christian Günther) wissen zu überzeugen oder sind doch zumindest lesenswert (Nadine Boos, Bernhard Schneider, Gerd Frey, Kai Riedemann) und wäre nicht der eine Totalausfall (Jasper Nicolaisen mit einem pseudocoolen, oberhippen Text, der das Geschichtenerzählen zugunsten greller stilistischer Effekte vernachlässigt), hätte „Emotio“ fast schon ein beängstigend hohes Niveau, welches kaum noch Luft nach oben ließe für die nächsten Ausgaben dieser hervorragenden Anthologie-Serie.

Wer angesichts dieser Texte behauptet, deutsche Autoren könnten keine SF schreiben, sollte sich einfach nur begraben lassen!