Die Legende der scharlachroten Wolken 1: Die Stadt, die zum Himmel spricht (Comic)

Die Legende der scharlachroten Wolken 1
Die Stadt, die zum Himmel spricht
(La Legende des Nuées Écarlates: La Ville qui parle au Ciel)
Text & Artwork: Saverio Tenuta
Übersetzung: Tanja Krämling
Splitter, 2010, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-139-9

Von Irene Salzmann

Der einarmige Ronin Raido rettet eine junge Puppenspielerin vor den Schergen der Shogunai und einem Rudel angreifender Eiswölfe. Aus Dankbarkeit bringt Meiki ihn zu Jera, einer alten Frau, die sich um sie und ihren Bruder Ogi kümmert, damit diese Raidos Wunden behandelt.

Allerdings findet er keine Ruhe in Jeras Haus und rennt, von seinen Visionen und Erinnerungen an ein Leben, das er vergessen hat, davon, um prompt seinem einstigen Widersacher in die Arme zu laufen. Im letzten Moment können Meiki und Ogi verhindern, dass der skrupellose Gegner Raido tötet. Doch General Nobu Fudo und die Shogunai wissen nun, dass der Favorit des vormaligen Shogunai den Hinterhalt, den Nobu ihm einst stellte, überlebt hat...

Comics, die in einem asiatisch anmutenden Setting spielen (zum Beispiel Kai Meyers „Wolkenvolk“-Bände) findet man immer öfter, denn das europäische Mittelalter ist ziemlich ausgeschöpft, während Fantasy-Filme aus Japan, Südkorea, Hongkong und natürlich auch Manga, Manhwa und Manhua seit geraumer Zeit mit neuen Motiven inspirieren. „Die Legende der scharlachroten Wolken“ spielt in einem fiktiven Japan der Shogunats-Ära. Es gibt eine strenge Hierarchie, doch überraschenderweise ist es hier auch Frauen möglich, höchste Ämter zu bekleiden und politisch aktiv zu sein. Am Hof der Shogunai werden die üblichen Intrigen gesponnen, und Verrat brachte so manch aufrichtigen Berater oder tapferen Soldaten in den Kerker und schlimmer. Raido und Meiki gehören zu diesen Opfern. Was ihnen widerfuhr, erfährt man im ersten Band, „Die Stadt, die zum Himmel spricht“, jedoch nur teilweise. Während Meikis Herkunft in einigen Nebensätzen bloß gestreift wird, so dass man davon ausgehen darf, Näheres später zu erfahren, wird Raidos Vergangenheit durch Rückblenden und Visionen weitgehend enthüllt. Man weiß nun, wie er seinen Arm einbüßte, wer seine Feinde sind, worum es sich bei den Titel gebenden „scharlachroten Wolken“ handelt und dass er Rache beziehungsweise Gerechtigkeit will. Mit den Antworten gehen neue Fragen Hand in Hand, wodurch die Neugier auf die noch ausstehenden drei Bände geweckt wird.

Die Illustrationen orientieren sich vage an der japanischen traditionellen Malerei und der Holzschnittkunst. In Folge sind die Hintergründe sehr detailreich und realistisch, die Gesichter der Protagonisten sind oft länglich und trotz eines ausgeprägten Mienenspiels etwas starr. Es dominieren kalte Farben; selbst die Beleuchtung in den Räumen wirkt fahl und das auffällig leuchtende Blut kühl. Vor allem in der weiß-blauen Winterlandschaft setzen die Blutlachen Akzente, die dem Betrachter einen Schauder den Rücken hinab laufen lassen. Denn an grausigen Szenen wird nicht gespart. Geister, Dämonen, monströse Soldaten, heftige Kämpfe, Verstümmelungen und Tod gehören dazu. Man fühlt sich vage an Hiroaki Samuras „Blade oft he Immortal“ erinnert, und die Leser des einen Titels dürften durchaus Interesse an dem anderen haben, auch wenn Comic- beziehungsweise Manga-Leser ihrem bevorzugten Genre meist treu bleiben und leider nur selten über den Tellerrand blicken.

Man sollte sich für die Lektüre viel Zeit nehmen, um den Dialogen und Illustrationen die geschickt eingestreuten wichtigen Details entnehmen zu können, die ein erstes Bild von Raidos Welt und seinen Problemen entstehen lassen. Obwohl die Zeichnungen eigentümlich wirken, geht von ihnen ein ganz besonderer Reiz aus, so dass man gern mehr von Saverio Tenuta sehen möchte. Das Wenige, das man nach Band 1 zu erahnen beginnt, fasziniert und macht neugierig auf mehr. „Die Legende der scharlachroten Wolken“ hat das Potenzial, einer der Top-Titel des Splitter Verlags zu werden.