Hellboy 11: Der Krumme (Comic)

Hellboy 11
Der Krumme
(Mike Mignola's Hellboy: The Crooked Man and Others)
Autor: Mike Mignola, Joshua Dysart
Zeichnungen: Richard Corben u.a.
Farben: Dave Stewart
Übersetzung: Frank Neubauer
Cross Cult, 2010, Hardcover, 192 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-941248-78-6

Von Frank Drehmel

Stand in den beiden vorhergehenden Sammelbänden – „Ruf der Finsternis“ und „Die Wilde Jagd“ – ein epischer Handlungsbogen um Hellboys Bestimmung und seine Auseinandersetzung mit der Blutgöttin im Vordergrund, welcher noch seines Abschlusses harrt, so liegt der Fokus in Ausgabe 11 der Serie – einer Art Interludium – erneut auf eigenständigen Kurzgeschichten, die allerdings in einigen Details durchaus Bezug auf vorangegangene Abenteuer nehmen.

Den Beginn macht die im Original dreiteilige Mini-Serie „Der Krumme“ („The Crooked Man“), für die Mignola mit Richard Corben ein Urgestein der Phantastischen Comic-Kunst gewinnen konnte und die im Jahre 2009 mit dem Eisner Award als „Best Limited Series“ ausgezeichnet wurde.

Wir schreiben das Jahr 1958, Virginia, USA: In einem kleinen Dorf in einem abgelegenen Teil der Apalachen spürt Hellboy dem unheiligen Treiben von Hexen nach, als ein Wanderer vor Ort auftaucht. Tom Ferrell floh vor über 20 Jahren aus der Gegend, da er in seinem jugendlichen Leichtsinn einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, der unter den Siedlern als der Krumme bekannt ist. Nach Jahren des Rumtreibens ist er nun bereit, sich seinem Widersacher zu stellen und notfalls Buße zu tun. Gemeinsam nehmen Hellboy und Tom den Kampf gegen den Krummen sowie die Hexen der Apalachen auf, nicht nur, um die Seele des Mannes zu retten, sondern auch, um den kleinen Dörfern und Farmen den Frieden zu bringen.

In drei weiteren Geschichten schlagen sich Hellboy und Abe Sapiens mit dem auferstandenen Piraten Blackbeard rum, muss der große Rote einen jungen Künstler retten, der, von einem dämonischen Zwang besessen, daran arbeitet, Moloch, das Gräuel der Ammoniter, zurück in die Welt zu holen, und hat Hellboy einen unappetitlichen Alptraum. Von den beiden abschließenden Storys, dreht sich die erste darum, wie aus dem gütigen, ehrbaren Soldaten Koschej der unsterbliche, gnadenlose Krieger wurde, dessen Bekanntschaft Hellboy schon machen musste. In der letzten Geschichte kredenzt uns Mignola eine kurze Episode aus der Vergangenheit der Baba Yaga, in der wir reinen Wein über das Schicksal der Tochter der alten Hexe eingeschenkt bekommen.

Ich möchte nicht soweit gehen, zu behaupten, ich hätte nach dem epischen Storyarc der beiden vorangegangenen Bände das Zurück zu unverbundenen Kurzgeschichten, welche immer ein bestimmendes Merkmal des Hellboy-Universums waren, herbeigesehnt. Dennoch, die Short-Storys des vorliegenden Sammelbandes bieten eine gleichermaßen spannende wie leichte und unterhaltsame Abwechslung zu der gravitätischen Handlung um Hellboys Bestimmung.

Wie gehabt legen auch die kürzeren und kürzesten Geschichten Zeugnis von Mignola große Meisterschaft im Adaptieren von Sagen, Volksmärchen und Mythen unterschiedlichster Kulturen ab, in welchen sich oft universelle, archetypische menschliche Ängste manifestieren und die damit in vielen Lesern ein tiefes Unbehagen auslösen, unabhängig von Namen, Handlungszeiten und Orten.

Wie groß Mignolas Talent ist, zeigt sich, wenn man die erzählerisch schwächste Geschichte des Sammelbandes, „Die in Schiffen übers Meer fahren“, an der maßgeblich Joshua Dysart als Co-Autor beteiligt war, mit „The Crooked Man“ vergleicht. Das Piratenabenteuer erweist sich als hektisch-verspielte Action-Inszenierung, welche den Leser auf der Erzählebene emotional kaum anspricht, sondern fast ausschließlich über das wilde, expressive, atmosphärisch dichte Artwork Jason Shawn Alexanders funktioniert. Ganz anders die Geschichte um Mister Witkins, den Krummen: hier gehen Story und Artwork eine nahezu perfekte Symbiose ein. Richard Corbens fleischiger, einmalig knorriger Stil mit seinen sachte deformierten Figuren und den pointillierten Schatten trägt zur beklemmenden Wirkung von Mignolas ruhiger, eher an eine klassisch-viktorianische Geistergeschichte erinnernde Story bei, ohne diese jedoch dominieren zu können.

Editorisch runden Einblicke in unterschiedliche Sketchbooks, eine Cover-Galerie sowie ein vierseitiger Artikel über einen der großen amerikanischen Pulp-Autoren, Manly Wade Wellman, dessen Œuvre sich zwar durchaus mit dem solcher Koryphäen wie H.P. Lovecraft, C.A. Smith oder Robert E. Howard messen kann, der in Deutschland aber weitgehend unbekannt geblieben ist, das rundum positiv Gesamtbild des Sammelbandes ab.

Fazit: Ein künstlerischer wie erzählerischer Hochgenuss nicht nur für eingefleischte Hellboy-Fans, sondern für jeden Leser, der gepflegten Grusel zu schätzen weiß.