Boris Koch: Das Verlies der Stürme – Der Drachenflüsterer 3 (Buch)

Boris Koch
Das Verlies der Stürme
Der Drachenflüsterer 3
Titelbild und Innenillustrationen von Dirk Schultz
Heyne, 2011, Hardcover, 412 Seiten, 12,99 EUR ISBN 978-3-453-26724-4

Von Carsten Kuhr

Seitdem Ben und sein Freund Yanko vor dem Orden der Drachenrittern geflohen sind, haben sie eine Menge erlebt. Dass Ben als Drachenflüsterer die Gabe hat, durch Handauflegen die abgeschlagenen Flügel der Lindwürmer wieder wachsen zu lassen, sie zu heilen und ihnen die Gabe der Sprache wiederzugeben, hat ihm und seinen Freunden nicht nur den Dank und die Freundschaft der Drachen eingebracht, sondern auch die unerbittliche Feindschaft des Drachenordens. Im ganzen Großtirdischen Reich werden sie gesucht, die Belohnung, die auf ihre Ergreifung – gleich ob tot oder lebendig – ausgesetzt wurde, erreicht mittlerweile schwindelerregende Höhen.

Nach der Befreiung weiterer Drachen haben sie sich zunächst ein wenig zurückgezogen. Das süße Leben des Nichtstuns aber behagt ihnen allen nicht. Zu ungerecht ist die Versklavung der Drachen durch die Ritter, als dass sie ihre Mission, die Wahrheit über die intelligenten Lindwürmer und den Orden publik werden zu lassen, einfach vergessen könnten. Vor der Küste finden sie auf einer von gefesselten Stürmen bewachten Insel das perfekte Refugium, um ihre Mission voranzutreiben. Jedes Schiff, das sich der Insel nähert wird von den Winden zum Sinken gebracht, nur mit Hilfe der Drachen kann man die Insel aus der Luft erreichen. Zusammen mit einem aus Seenot geretteten Händler beginnen sie, die Wahrheit über die Drachen und was der Orden diesen antut bekannt zu machen. Zunächst entwickelt sich alles noch ganz wie gewünscht, selbst ein Novize des Ordens schließt sich ihnen an. Doch dann finden unsere Gefährten abgeschlagene Drachenflügel – ein Verräter muss einen der befreiten Drachen an den Orden ausgeliefert haben…

Was vor gut drei Jahren mit einem aufsehenerregenden Auftaktband seinen Anfang nahm, das wird mit dem dritten Teil, zunächst zumindest, beendet. Während der Text anfänglich von seiner Atmosphäre aber auch den Gestalten her an Mark Twains „Tom Sawyer“ erinnerte, wandte sich der Autor schon ab dem zweiten Teil mehr dem Fantasy-Mainstream zu. Geboten wird, um dies klar vorauszuschicken, nach wie vor handwerklich gute Abenteuer-Fantasy mit jungen Protagonisten und den faszinierenden Lindwürmern.

Verklausuliert geht es, wie in jedem guten (Jugend-)Buch um Macht- und Machtmissbrauch, um Verantwortung und Freiheit. Zwar werden die Titel nicht ausdrücklich als Jugendbücher angeboten, richten sich aber von der herausragenden Ausstattung zu einem sensationellen Preis her auch an eine jugendliche Zielgruppe. Diese können problemlos in die vielschichtig gezeichneten Hauptpersonen schlüpfen und in die abwechslungsreichen Abenteuer eintauchen. Sicherlich geht es um bekannte Konflikte. Die aufrechten Rebellen wenden sich gegen verkarstete Strukturen und die korrupten, die Macht missbrauchenden Herrschenden werden angeprangert. Im Mittelpunkt steht klar das spannend aufgezogene Abenteuer, in dessen Verlauf wir mit unseren Helden bibbern, um sie fürchten und letztlich erwartet, wenn auch nicht auf der ganzen Linie, triumphieren. Denn Boris Koch weigert sich entschieden, seine Trilogie mit einem letztlich unglaubwürdiges Happy End à la Hollywood zu schmücken. Sicherlich haben unsere Rebellen eine Entwicklung angestoßen, doch anders als viele seiner Kollegen präsentiert uns Koch derartige Umstürze nicht als Hauruck-Revolution, die sofort Wirkung zeigt, sondern als schleichenden Prozess des Umdenkens, der seine Zeit braucht.

Insgesamt gesehen wartet auf den Leser eine eigenständige Trilogie, die neben einer stimmungsvollen, atmosphärisch dichten Erzählung mit den gerade so angesagten Lindwürmern punktet und in herausragender Gestaltung spannendes Abenteuergarn mit Tiefgang für den Leser bereithält.