Die Vier von der Baker Street 2: Die Akte Raboukin (Comic)

Die Vier von der Baker Street 2
Die Akte Raboukin
(Les Quatre de Baker Street: Le Dossier Raboukine)
Text: J.B. Djian & Oliver Legrand
Zeichnungen & Farben: David Etien
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2011, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-174-0

Von Frank Drehmel

Es steht in allen Londoner-Zeitungen des Jahres 1890: Jack the Ripper ist zurückgekehrt! Nunmehr zwei grausam getötete Frauen sollen auf das Konto des Whitechapel-Mörders gehen. Die Jungen der Bakerstreet – Black Tom aus Kilburn, Billy Fletcher und Charlie – nehmen die reißerischen Schlagzeilen nicht sonderlich ernst, sondern verständigen sich darauf, dass es schon vor dem Auftauchen des Rippers Morde gegeben hat und die aktuellen Vorfälle lediglich von der sensationslüsternen Presse hochgespielt werden.

Erst als die alte Sally, ein Frau, die sich vor einigen Jahren des kleinen Billys annahm, dem Mörder zum Opfer fällt, beschließen die Bakerstreet-Boys, den Täter zur Strecke zu bringen. Weit kommen die drei Jungen und ihr zugelaufener Kater allerdings nicht, denn unterwegs werden sie Zeugen, wie zwei Männer in dunklen Anzügen eine junge Frau, die augenscheinlich Mr. Sherlock Holmes aufsuchen wollte, vor dessen Haustür zu entführen versuchen.

Mutig schreiten die drei Helden ein und die junge Dame, die sich als Katja Iwanowa vorstellt, tut ein Übriges, um die Verbrecher in die Flucht zu schlagen. Da Holmes in einem Fall auf dem Kontinent unterwegs ist, bieten die Jungen der russischen Einwanderin Hilfe in ihrem Fall an: man hat ihren Lebensgefährten, Viktor Raboukin, unter dem Vorwurf verhaftet, er sei der gesuchte Frauenmörder. Obgleich die Indizien schwer wiegen – so wurden ein blutiges Tuch und ein Messer in seinem Zimmer gefunden –, glaubt Katja fest an Viktors Unschuld und vermutet hinter allem einen Coup der Ochrana, des zaristischen Geheimdienstes, der die Exil-Russen, die sich als Revolutionäre und Kämpfer für die Freiheit und Gleichheit aller Menschen verstehen, in ihrem Gastland England diskreditieren will.

Ehe sie sich versehen, finden sich die Bakerstreet-Boys in einem gefährlichen politischen Ränkespiel wieder, in dem der Feind weder vor Foltern, noch vor Bomben-Attentaten zurückschreckt und längst einen Spitzel in den kleinen Zirkel um Katja und ihre proletarischen Freunde eingeschleust hat.

Erstaunlich, welche Überraschungen sich ab und an zwischen zwei Hardcover-Deckeln auftun. Präsentierten uns die Autoren im ersten Album noch eine spannend-leichte Geschichte, der zwar sachte gesellschaftskritische Töne innewohnten, die aber unterm Strich mit ihren kindlichen Protagonisten und ihrer niedlichen Katze harmlos und jugendkompatibel daherkam, so ist die Story des zweiten Albums geradezu subversiv, voller politischer Reflexionen und deutlicher Gesellschaftskritik, wobei es Djian und Legrand bemerkenswerterweise gelingt, ihre jugendlichen Handlungsträger in dem durch und durch erwachsenen Setting weder deplatziert, noch verloren wirken zu lassen. Stattdessen schärfen sie in lockeren Dialogen und actionreichen Sequenzen die jeweiligen Profile der Jungen, sodass am Ende – und ganz in der Tradition erfolgreicher Kinderbuchserien wie „Fünf Freunde“ oder „Die drei ???“ – drei unterschiedliche Charaktere stehen, deren Stärke erst aus ihrem Zusammenwirken erwächst, wobei die Kinder diesmal eher Getriebene sind, als dass sie aktiv in die Fußstapfen ihres großen Vorbildes und Mentors treten.

Makellos ist auch diesmal Etiens Artwork. Nicht nur, dass sämtliche Figuren einen hohen Wiedererkennungswert besitzen, auch das historische Setting ist nach wie vor stimmig und stimmungsvoll eingefangen. Detailreiche, jedoch nicht überladene und daher klare Zeichnungen sowie die weiche Koloration, in der der Künstler gekonnt mit Licht und Schatten spielt, vermitteln einen gefälligen, visuell entspannten Eindruck, der das sanfte Eintauchen in die Story geradezu erzwingt.

Fazit: Inhaltlich deutlich dunkler, sozialkritischer, politischer und damit erwachsener als das erste Album der Reihe. Der Spannung und dem Unterhaltungswert tut das jedoch keinen Abbruch, zumal das Artwork auch dieses Mal exzellent daherkommt.