Graham Masterton: Gequälte Engel (Buch)

Graham Masterton
Gequälte Engel
Katie Maguire 2
(Broken Angels, 2013)
Übersetzung: Doris Hummel
Titelbild: Anke Koopmann
Festa, 2017, Paperback, 458 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-86552-575-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Jahrelang hat sich Katie Maguire abgemüht, hat sich mühsam und gegen alle Widerstände hochgearbeitet, bis sie die erste Frau war, die als leitende Ermittlerin im Morddezernat zum Detective Superintendent bestellt wurde. Nach dem Tod ihres Mannes, eines Säufers und Tunichtguts, hat sie eine neue Liebe gefunden, alles scheint seinen wohl geregelten Gang zu gehen. Doch wehe, wenn es einem zu wohl wird.

Zunächst hält sie eine Reihe von Morden an katholischen Priestern beruflich auf Trab, dann teilt John ihr mit, dass er sein gesamtes Vermögen an der Börse mit Start-ups verspekuliert hat und nach Kalifornien zurückgehen möchte, um noch einmal neu anzufangen. Natürlich kommt sie mit, schließlich liebt sie ihn. Sie bricht ihre Zelte ab, kickt ihre so mühsam erreichte Karriere ihm zuliebe in den Gully.

Doch dann überfällt man ihre Schwester und die Serie an Priestermorden nimmt eine persönliche Note an.

Im Verlauf der Ermittlungen wird deutlich, dass es beileibe nicht nur um vor 30 Jahren begangene Kindesmissbräuche geht, damals versuchten einige zu gläubige Katholiken Gott näher zu kommen, als erlaubt und begingen Frevel, die nicht zu verzeihen oder zu sühnen sind, auch wenn die gefolterten, kastrierten Leichen der aufgefundenen Priester ein anderes Bild sprechen. Dass Katie bei ihren Nachforschungen immer wieder auf eine aggressive Mauer des Schweigens im Bistum stößt, nährt nur die Überzeugung, dass hier von höchster Stelle aus ein unsägliches Verbrechen vertuscht werden soll…


Graham Masterton nimmt im Verlag, dessen Motto „Wenn Lesen zur Mutprobe wird…“ ist, eine Sonderstellung ein. Er ist weit von dem entfernt, was uns die Verlagszugpferde Edward Lee, Wrath James White und Co. sonst an härtestem Extrem-Horror anbieten, bewegt sich inhaltlich eher im gewohnten Horror-Bereich. Hier aber überzeugt er stilistisch wie inhaltlich durch herausragende Werke voller Flair, markanter Figuren und einer mitreißenden Handlung.

Mit den Katie-Maguire-Romanen – gegenwärtig sind bereits neun Bücher um die Ermittlerin im englischsprachigen Original erschienen - hat er neben seinen Thrillern und Horror-Titeln auch das Krimi-Genre bereichert.

In vorliegendem zweiten in der Reihe, nimmt er sich eines mehr als ernsten Themas an. Es geht um den Missbrauch katholischer Geistlicher an schutzbefohlenen Jugendlichen und Kindern. Statt sich nun aber, wie man meinen könnte, auf die damaligen Taten, auf Verbrecher und Opfer zu konzentrieren, strickt Masterton ein etwas anderes, weit gefälligeres, weil faszinierenderes Garn.

Natürlich ist es in erster Linie ein Roman über einen Rachefeldzug gegen selbstsüchtige, überhebliche Verbrecher. Es gibt jede Menge Tote, so mancher davon hat sein Schicksal verdient, aber auch Unschuldige müssen dran glauben.

Gleichzeitig aber ist es ein Buch, das uns auf erschreckend real wirkende Art und Weise die Versuche weiter Teile des Klerus vor Augen hält, eben jene unaussprechlichen Verbrechen unter den Teppich zu kehren, die Schuld sich selbst wie der Öffentlichkeit gegenüber zu verleugnen, von den Opfern gar nicht zu reden. Hier hat es der Autor auf geradezu mustergültige Weise verstanden, aktuelle Bezüge in seinen Plot einfließen zu lassen und generelle Fragen aufzugreifen.

Dazu gesellt sich einmal mehr das Bild einer jungen Frau, der nichts im Leben geschenkt wurde oder wird, die immer Widerstände zu überwinden, Verluste zu verarbeiten und Ressentiment zu ertragen hat. Trotzdem bleibt sie sich selbst treu, wächst an den Herausforderungen und zeigt Nehmerqualitäten.

Zwar ist das große Geheimnis, was wirklich hinter den Morden steckt, für versierte Leser nach dem ersten Drittel des Buches zu erahnen, doch, und das ist wichtig, mindert dies das Lesevergnügen nicht. Stattdessen beobachten wir gespannt, wie Katie die Indizien zusammensetzt, wie und wo sie ihre Verdächtigen unter Druck setzt und daneben ihr eigenes, schwieriges Schicksal meistert.

Das hat viel irisches Flair, weist so einige unerwartete Wendungen auf und besticht durch eine markante Protagonistin. Mehr davon, bitte!