F. Paul Wilson: Panacea (Buch)

F. Paul Wilson
Panacea
(Panacea, 2016)
Übersetzung: Alexander Amberg
Titelbild: Vincent Chong
Festa, 2017, Paperback, 600 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-86552-598-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Ihr Job ist es, sich um die Toten zu kümmern. Nein, nicht was Sie jetzt vielleicht denken; Laura Fanning arbeitet nicht als Bestatterin, sie untersucht Leichen für die Ordnungsbehörden. Als sie kurz hintereinander zwei Leichen auf ihren Untersuchungstisch bekommt, die beide körperlich gesünder sind, als sie sein sollten, wird sie stutzig.

Da weisen die Körper verheilte massive Wunden auf, man sieht, dass die Menschen früher einmal Raubbau mit ihren Kräften betrieben haben, dass sie schwer drogenabhängig, an HIV erkrankt waren und jetzt sind ihre Organe wie die frisch geborener Babys, die Todesursache jeweils ein Rätsel.

Dass Fanning Rätsel hasst, erweist sich als – nun, Segen wäre massiv übertrieben, Krux aber auch nicht passend, also als interessant für ihre nahe Zukunft.

Wie kommt es, dass scheinbar Todkranke plötzlich und unerwartet total genesen - eine Frage, die auch Multi-Milliardär Clayton Stahlman, der an einem unheilbaren Leiden erkrankt ist, brennend interessiert. In uralten Überlieferungen, verbotenen Kladden und geraunten Sagen ist die Rede von einem Wundermittel, Panacea genannt, das alle Krankheiten zu heilen vermag.

Wunschdenken, eine Mär so dachte Fanning bislang - dann aber stößt sie auf Hinweise auf einander argwöhnisch bekämpfende Orden, die auf ein Benediktiner-Kloster in den Pyrenäen des Jahres 536 zurückgehen und die beide heute noch aktiv sind. Die einen hüten das Geheimnis der Heilung, die anderen wollen das in ihren Augen teuflische Serum und das Wissen darum vernichten.

Über die Urwälder Mexikos, der Wüste Negev bis hin zu den Orkney-Inseln führt Fennings Weg, immer verfolgt von CIA-Agenten, der Bruderschaft und beschützt durch einen ehemaligen Navy SEAL.

 

F. Paul Wilsons Werk kann man in zwei große Blöcke unterteilen. Da sind zum einen die Romane um den Repairman Jack, eine Art moderner Robin Hood, der sich des schnöden Mammons wegen um Probleme kümmert und dabei immer wieder auf Hinweise auf einen Konflikt zweier weit überlegener Wesenheiten stößt, der auf der Erde ausgetragen wird.

Daneben gibt es seine medizinischen Thriller, in denen der Autor, selbst gelernter Mediziner, immer wieder auch phantastische Elemente mit einbaut. Beide Blöcke sind durch die gemeinsame Bühne - unsere Welt angereichert um den Konflikt und phantastische Wesen - miteinander verbunden.

Die Repairman-Jack-Titel sind - wenn auch nicht in der Übersetzung, wo noch drei Bände ausstehen - abgeschlossen, so dass sich der Autor einem neuen Feld zugewandt hat. Mit „Panacea“ legt er den ersten Teil einer neuen Reihe vor, der er in diesen Tagen in den USA mit „The God Gene“ bereits Band 2 hat folgen lassen.

Wo aber ist dieser Auftaktroman einzuordnen?

Nun, den Leser erwartet eine Mischung aus beiden Welten. Medizin-Thriller insoweit, als es um Krankheiten und Heilung geht und eine Forensikerin im Zentrum des Geschehens steht. Daneben gibt es aber auch eine weit actionreichere Handlung, als in seinen sonstigen Thrillern. Das erinnert natürlich an Jack, und geht dann doch inhaltlich ganz eigene Wege.

Und Wilson wirft hier, fast nebenbei, bedeutsame moralische Fragen auf. Wenn, wie vorgegeben, das pflanzliche Wundermittel in seiner Verfügbarkeit beschränkt ist, nach welchen Kriterien würde ein solches verteilt werden? Wer würde auf Panacea Zugriff haben, wer entscheiden, welcher Patient geheilt wird, und welcher sterben muss? Wird der, der das meiste Geld hat, sich die lange Gesundheit kaufen können, während die Armen leer ausgehen? Werden Staaten oder Verbrecher das Mittel zum Zweck der Erpressung nutzen - man denke an künstliche Epidemien, deren Heilung vom Wohlverhalten der Erpressten abhängig ist; Fragen, die deutlich im Hintergrund mitschwingen und den Roman ein sehr ernstes, nachdenkliches Gerüst verleihen.

Was sich auf den ersten Blick als gelungene Mischung aus „Sakrileg“, ein wenig Indiana Jones und „Medicine Man - Die letzten Tage von Eden“ anbietet, das erweist sich bei näherer Betrachtung so als deutlich tiefgründiger. Natürlich wird packend unterhalten, stoßen wir auf Verschwörungen, verräterische Agenten, Helden und Geheimnisse - das hatte ich nicht anders erwartet, Die moralischen Fragen aber machen aus dem Roman, so man sich denn darauf einlässt, etwas Besonderes.