Baltimore 2 (Comic)

Mike Mignola, Christopher Golden
Baltimore 2
(Baltimore: The Apostle and the Witch of Harju. The Cult of the Red King, Empty Graves, The Red Kingdom, 2014/2017)
Übersetzung. Frank Neubauer
Titelbild. Mike Mignola & Dave Stewart
Zeichnungen: Peter Bergting, Ben Steinbeck
Cross Cult, 2015, Hardcover, 576 Seiten, 50,00 EUR, ISBN 978-3-95981-615-1

Rezension von Christel Scheja

Der zweite „Baltimore“-Sammelband fasst nun auch den Abschluss der Saga um den adligen britischen Offizier Lord Henry Baltimore zusammen, der gegen die dunklen Machenschaften von Vampiren, Hexen und anderen Höllenkreaturen kämpfte, nachdem ihn die Fehde mit dem mordlüsternden Vampir Haigus dazu trieb. Denn es liegt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Einiges im Argen, gerade Europa wird zusätzlich von einer unerklärlichen Seuche heimgesucht - und das ist nur die Vorbereitung zu Schlimmerem.

 

Im ersten Abenteuer folgen der Lord und die Gefährten, die er mittlerweile um sich gesammelt hat, weil sie ebenfalls Gründe haben, gegen das Böse zu kämpfen, oder aber spüren, dass dort ihre Berufung liegt, einem Hilferuf nach Estland. Eine junge Witwe wird auch nach seinem Tod hinaus immer noch von ihrem eifersüchtigen Mann verfolgt und hofft, dass das Team dem Wiedergänger ein Ende setzen kann. Später legen sie sich auch noch mit Werwölfen an und finden ein neues Mitglied für ihre Gruppe, den ehemaligen Inquisitor Rigo, der fast seinen Glauben verloren hat.

Kaum ist das geschehen machen, sie sich auf die Suche nach den Erben einer vampirischen Hexe und müssen feststellen, dass weder sie noch ihre Nachkommen wirklich tot sind, sondern stattdessen etwas vorbereiten, was Baltimore gerne verhindern würde. Doch über leeren Gräbern erfüllt sich der lange vorbereitete Plan. Der Rote König, zunächst nur für einen der ersten Vampire gehalten, entpuppt sich als weit schlimmere Kreatur aus der Hölle und errichtet nun sein Rotes Königreich. Alles scheint verloren, denn auch der Lord ist schwer angeschlagen…


Auch wenn sich die Künstler bemühen, die Geschichten weiterhin unabhängig von der Romanvorlage und den vorhergehenden Graphic Novels zu halten, fällt doch auf, dass es immer wieder Rückbezüge zu letzteren gibt, gerade als das Geschehen ihrem Höhepunkt zusteuert.

Die Erzählungen bedienen sich vieler Motive aus der klassischen Schauerliteratur. Da gibt es einen Wiedergänger, der seine Frau nicht in Ruhe lassen kann, Werwölfe, die Angst und Schrecken in einer einsamen Gegend verbreiten, Hexen und Vampire, die überall zu finden sind, um ihr Unwesen zu treiben, sei es nun in Russland oder in Nordafrika - die Spuren sind jedenfalls überall.

Lord Baltimore selbst rückt diesmal etwas in den Hintergrund, seine Freunde beobachten ihn mit Sorge, weil er sich immer stärker verändert und zu etwas wird, was sie selbst nicht mehr verstehen. Kann es sein, dass ihn innerlich etwas auffrisst oder verhärten lässt, was ihn selbst immer mehr zu einer der Kreaturen werden lässt, die er bekämpft?

Der Hintergrundgeschichte wird gerade in den letzten Geschichten mehr Raum gegeben, nun führen die Fäden, die bisher gesponnen wurden, zusammen und bilden einen interessanten Teppich.

Die Künstler bedienen dabei viele Klischees, brechen aber die vertrauten Bilder immer wieder auf, so dass die eine oder andere Wendung doch noch neu ist. Die Geschichte schlägt daher ein paar gekonnte Haken und bleibt so immer frisch und neu, auch die Figuren entwickeln sich durch ihre Erfahrungen weiter, wenn sie diese denn überleben - denn sicher ist keiner in der Nähe des Lords.

Farben und Zeichnungen harmonieren miteinander und schaffen damit eine dichte, intensive Atmosphäre. Das Setting mag zwar auf das Jahr 1920 festgelegt worden sein, ist aber so vage in der Nachkriegszeit verhaftet, dass die Handlung mehr oder weniger zeitlos bleibt und tatsächlich auch irgendwann anders im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts spielen könnte. Alles in allem ist die Geschichte aber sehr rund, vor allem wenn man ein Faible für Schauerromantik und die Erzählungen hat, die in den Pulp-Romanen erschienen sind, denn sie findet einen angemessenen Abschluss, der die meisten Fragen beantwortet und konsequent bleibt.

„Baltimore“ spricht auch mit dem zweiten Sammelband die Fans actionreicher und dramatischer Horror-Comics vor historischer Kulisse an, die literarische Zitate, aber auch viele spannende und nicht unbedingt tiefgründige Abenteuer mögen. Die Helden sind wie schon im ersten Band eher ambivalent, gerade Lord Baltimore, was den Erzählungen eine dichte und auch stimmige Atmosphäre gibt. Allerdings ist es zwingend notwendig, auch den ersten Band der Reihe zu kennen, sonst versteht man nur die Hälfte.