Edward Lee & Elizabeth Steffen: Dahmer ist nicht tot (Buch)

Edward Lee & Elizabeth Steffen
Dahmer ist nicht tot
„Dahmer’s Not Dead“, 1999)
Titelbild: Arndt Drechsler
Festa, 2017, Paperback, 352 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-86552-566-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Jan Niklas Meier

Als die Polizei im Juli 1991 den kannibalischen Serienmörder Jeffrey Dahmer fasste, verdankte sie diesen Erfolg wohl eher dem Zufall als einem erfolgreichen Ermittlungsverfahren. So oder so: Dahmer, der bereits damals die Phantasie der Presse beflügelte, wanderte ins Gefängnis. Dort allerdings waren ihm nicht viele Jahre seiner lebenslangen Haft beschieden, wurde er doch drei Jahre später von einem Mithäftling erschlagen.

Edward Lee und Elisabeth Steffen stellen in ihrem aktuellen Roman nun die Frage, was wäre, wenn dieser Mord nur inszeniert war? Was wäre, wenn Dahmer seinen Tod vorgetäuscht hätte, um aus dem Gefängnis zu entkommen? Und was wäre, wenn er in Freiheit genau da weitermachen würde, wo er aufgehört hat?

Diese durchaus unappetitliche Vorstellung lässt das Horror-Duo den Leser nun aus der Perspektive der Polizistin Helen Closs durchleben. Die Protagonistin hinterlässt dabei einen etwas zwiespältigen Eindruck. Einerseits vereint sie typische Ermittler-Klischees der härteren Krimi-Gangart in sich: Closs ist psychisch fertig, pessimistisch, chronisch beziehungsunfähig und hat gerade mit dem Rauchen aufgehört. Andererseits entsteht ein Großteil ihrer psychischen Probleme nicht etwa aus ihrer verstörenden Arbeit als Mord-Ermittlerin, sondern aus der Tatsache, dass sie sich den Wechseljahren nähert und noch immer keine Familie gegründet hat. Erfrischend anders! Nach außen hin wirkt die gute Frau Closs wie eine knallharte Polizistin mit nahezu perfekter Erfolgsquote, sie ist gar drauf und dran, zum ersten weiblichen Deputy Chief befördert zu werden. Auch wenn sie innerlich zerrissen ist, scheint ihre Arbeit offenkundig nicht zu leiden. Umso mehr verwundert es da, wie dämlich die Protagonistin an manchen Punkten agiert - an anderer Stelle wiederum überrascht Closs dann mit geradezu übermenschlicher Kombinationsgabe.

Wirklich spannend macht das Buch aber weniger seine Protagonisten als vielmehr die Frage, ob Dahmer denn nun noch lebt oder nicht. Der Leser erwischt sich mehr als einmal dabei, wie er sich selbst seiner Sache nicht mehr sicher ist. Denn auch wenn schon der Titel des Romans darauf hinweist, dass der Serienmörder fröhlich weiter Menschen verspeist, ist der Fall weit weniger klar. Und das ist gut so! Lee und Steffen spinnen munter ein Verwirrspiel, wie es seines Gleichen sucht. Dahmer ist offenkundig tot, ein Mitinsasse hat sein Gesicht zu Brei verarbeitet, dabei freundlicherweise aber ein paar Zähne zur Klärung der Identität des Toten übrig gelassen. Doch auch andere Tests betätigen: Dahmer ist tot. So tot wie man nur sein kann. Die Morde scheint ein Nachahmer zu begehen. Doch warum kann der mit Dahmers Stimme telefonieren? Ist das Ganze vielleicht doch ein groß angelegter Betrug?

„Dahmer ist nicht tot“ ist ein spannender Thriller mit einigen überraschenden Wendungen, der vor allem durch sein cleveres Verwirrspiel überzeugt. Insgesamt ist der Ekelfaktor für Lee-Verhältnisse relativ gering, dafür liegt häufig ein Schwerpunkt auf den Möglichkeiten technischer Ermittlungsverfahren - natürlich Stand Mitte der 90er. Spannend!