Anthony Ryan: Das Erwachen des Feuers (Buch)

Anthony Ryan
Das Erwachen des Feuers
Draconis Memoria 1
(The Waking Fire, 2016)
Übersetzung: Sara Riffel & Birgit Maria Pfaffinger
Titelbild: Birgit Gitschier
Hobbit Presse, 2017, Hardcover, 724 Seiten, 25,00 EUR, ISBN 978-3-608-94974-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Anthony Ryan gehört zu den aufstrebenden jungen Autoren Großbritanniens. Der 1970 geborene Schotte lebt die meiste Zeit in London und schaffte es, durch seine Trilogie um „Das Lied des Blutes“ internationale Aufmerksamkeit zu erlangen. Nun erscheint mit „Das Erwachen des Feuers“ der Auftaktband zu einer weiteren Saga aus seiner Feder.

 

Drachenblut ist die Substanz, die Vieles in Mandinorien am Laufen hält, angefangen von reiner Mechanik, bis hin zu denjenigen, die als sogenannte Blutgesegnete in der Lage sind, echte Magie mit Hilfe des Lebenssaftes zu wirken und von der Regierung gerne als Spione, Spezialisten und Kämpfer verwendet werden.

Mit ihren übernatürlichen Kräften können sie viele Dinge erreichen, die sonst unmöglich wären. Deshalb gehört auch jedes Kind mit der Veranlagung dem Staat - und wehe, man wird nicht registriert. Aus diesem Grund werden rote, grüne, blaue und schwarze Drachen auch gejagt und gefangen, nur um sie ausbluten zu lassen. Allerdings hat das auch dazu geführt, dass die Population immer kleiner wird und die Rassen langsam aber sicher aussterben.

Und das birgt Gefahren in sich, lauert doch das Corvantinische Kaiserreich nur darauf, in Mandinorien einzufallen und die weiten Gebiete zu erobern, denn ohne das Drachenblut hält der ohnehin in seinen Grundfesten erschütterte Staat nicht mehr wirklich zusammen, ist er doch durch interne Intrigen und Ränke bereits am Ende.

Aus diesem Grund versucht das Drachenblut-Syndikat alles, um den Status Quo zu erhalten. Man ist sogar bereit, den Gerüchten zu folgen, denen zufolge es irgendwo noch eine viel mächtigere Drachenart gibt. Aus diesem Zweck wird der Dieb und nicht registrierte Blutgesegnete Claydon Torcreek rekrutiert, mit einer kleinen Gruppe in die noch unerforschte Wildnis des Inlands vorzustoßen, um diese Wesen zu finden, die bisher nur eine Legende waren - die weißen Drachen.


Die Idee klingt grob gesehen sehr konventionell, denn das ist nicht die erste Saga, in der sich Menschen auf die Suche nach irgendwelchen Drachen machen. Aber es ist dem Autor zugute zu halten, dass die Geschichte dann doch ein ganz anderes Setting ist als das übliche.

Man fühlt sich eher in die Neuzeit versetzt; auch wenn es noch nicht ganz das Zeitalter des Steampunk ist, so spielen doch auch schon Technik und Wissenschaft eine größere Rolle, haben eher Bürgerliche die Macht und zerfleischen sich in Intrigen. Auch auf den Luftschiffen herrscht eine Mentalität vor, die an die Royal Navy der Segelschiffzeit erinnert.

Wie man sich denken kann, dienen die verschiedenen Ebenen der Geschichte dazu, um den Hintergrund aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Da gibt es Blutgesegnete, die mit vollem Körpereinsatz für die Regierung agieren, aber auch Händler und einfache Adlige, die aus den Entwicklungen ihren Profit zu schlagen versuchen, auch wenn sie nicht übersehen können, dass alles langsam den Bach runtergeht.
Für Action sorgen einige kleinere Auseinandersetzungen, die Gefahren, die der Held und seine Freunde auf der Reise zu bewältigen haben und die ganzen Andeutungen, dass im Prinzip weitaus mehr hinter allem steckt als man denkt.

Auch wenn Magie und Drachen vorkommen, so ist der Roman doch nicht so fantasylastig wie man befürchten könnte - stattdessen ist er eher wie ein Thriller aufgebaut, der all die schmutzigen und dunklen Seiten der Menschen ausgräbt und zur Triebfeder des Geschehens macht. Hinweise und Andeutungen deuten zudem an, dass die Geschichte doch nicht so simpel ist wie gedacht und viel weitere Kreise ziehen wird.

Bei der Vielzahl der Figuren bleibt natürlich die Charakterisierung ein wenig auf der Strecke; als Leser bleibt man leider immer etwas auf Distanz zu den Helden und Schurken und weiß nicht so genau, was man von diesen halten soll. Sie gewinnen zwar ein gewisses Profil, aber bis auf wenige Ausnahmen bleiben sie austauschbar. Wirkliche Sympathie kann man so leider zu keinem Charakter aufbauen, was eigentlich schade ist, denn das Buch liest sich sehr flüssig, Längen kommen auch keine auf. Und es bleiben genügend Fragen offen, dass man darauf neugierig ist, wie es nun weitergehen wird.

„Das Erwachen des Feuers“, der erste Band der „Draconis Memoria“-Trilogie, ist ein phantasievoller und inhaltlich solider Roman für alle Fans, die von Drachen und Magie nicht genug bekommen können, aber auch einmal ein etwas anderes Szenario mögen. Man sollte sich nur mit der Tatsache abfinden, dass es schwer werden könnte, überhaupt zu einem der Charaktere so etwas wie eine Beziehung entwickeln zu können, denn in dieser Hinsicht bleibt der Autor sehr auf Distanz.