T. S. Orgel: Der verborgene Turm - Die Blausteinkriege 3 (Buch)

T. S. Orgel
Der verborgene Turm
Die Blausteinkriege 3
Titelbild: Franz Vohwinkel
Heyne, 2017, Paperback, 638 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31707-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Einst war die Machtfülle des Kaiserreichs Berun unübertroffen. Seitdem die Reisenden die Götter niedergeworfen hatten, schien der Stern des Reiches unsinkbar, Feinde wurden unterworfen und effizient eingegliedert, Vasallen mit Geld, guten Worten und Körpern ans Reich gebunden.

Neben der Inquisition sorgte der Orden und dessen Ritter und Kriegsknechte dafür, dass der Machtanspruch absolut und unantastbar blieb. Der Orden hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe der Reisenden zu bewahren und dafür Sorge zu tragen, dass die alten, besiegten Götter nie wieder aus ihrem Grab zurückkehren. Dass sie dabei die durch Blaustein geweckten, verpönten und unter Ächtung gestellten besonderen Gaben der Naturvölker selbst nutzen, ist ein streng gehütetes Geheimnis.

Dann kommt es, wie es immer kommen muss, wenn alle äußeren Feinde besiegt scheinen. Uneinigkeit, Neid und Verrat unter den Adeligen Beruns, ein schwacher Kaiser, der mehr mit seinem Unterleib denkt als mit seinem Kopf und eine alternde Kaisermutter, die von den Verschwörern aus dem Weg geräumt werden soll, ermöglichen es den inneren wie äußeren Feinden des Reiches ihren Plan umzusetzen.

Die Eröffnung des Blausteinzimmers soll der Tag des Niedergangs Beruns werden. Die verbündeten Kolnoraner und die Fischmenschen der Huacoun erobern die Stadt, der Königspalast wird gesprengt, König wie Adelige gemeuchelt.

Während die grauen Riesenschiffe der Huacoun im Hafen ankern und sich ihre Besatzungen daran machen, in den Schlund zu tauchen um - was auch immer dort versteckt wurde - zu heben, treffen in der eroberten und größtenteils geschleiften Stadt die letzten Überlebenden des Reiches zusammen. Die wackelige letzte Allianz aus Königinmutter, der begabten Ex-Sklavin Sara, dem Mörder Messer und dem Dandy Danil und seinen wilden Freunden aus dem Norden, macht sich verzweifelt daran, die finsteren Pläne der Eroberer zu durchkreuzen - auch wenn sie auf verlorenen Post zu kämpfen scheinen…

 

Die Brüder Orgel haben sich ihre erste Sporen mit der Völkerroman-Trilogie um die Orks und Zwerge (Heyne Verlag) verdient. Zusammen mit Carsten Steenbergen haben sie darüberhinaus den ersten Teil einer Steampunk-Serie vorgelegt und bewiesen, dass sie auch außerhalb von Axt und Schwert zu überzeugen vermögen.

Mit ihrer Saga um die Blausteinkriege präsentieren sie uns eine archaische Welt, in der es eine ungewöhnlich ausgestaltete Magie gibt, in der Naturvölker und eine Flora und Fauna beheimatet sind, die das Leben mehr als interessant im Sinne von tödlich machen. Dabei erinnern sie mich von der Art und Weise, in der sie ihre Geschichte präsentieren, an Joe Abercrombies Werke. Wie bei dem Star der modernen Fantasy kreieren die Brüder markante, fehlerbehaftete Gestalten, die in ihrer Ambivalenz einfach interessant sind. Gerade weil sie solch kantige Figuren sind, weil sie oft unbequem, ja verdammenswert und zutiefst egoistisch handeln, wirken sie als Erzähler nur umso überzeugender.

Die Weltenschöpfung greift bekannte Themen wie den Kolonialismus, Ausbeutung und eine skrupellose Herrschaftsklasse sowie gierige Händler auf, präsentiert uns aber auch Götter, fremde Wesen und einen Klerus, der sich verbotener Kräfte bedient.

Dem vorliegenden dritten Band ist zudem deutlich anzumerken, dass sich beide Autoren weiterentwickelt haben. Die Kämpfe und Gefechte ziehen den Leser ob ihrer Wucht in ihren Bann, das komplizierte Gefecht der verschiedenen Handlungsstränge mit all den Geheimnissen, Intrigen und Verrat sorgt für Dramatik satt vor dem Bild eines dekadenten, im Niedergang befindlichen Reiches. Dabei haben sie mit dem Blaustein sowie den Naturvölkern ganz eigene Kreationen einfließen lassen und einen faszinierenden, exotischen High-Fantasy-Mix geschaffen der einmal mehr beweist, dass Fantasy aus Deutschland sich wahrlich nicht mehr vor den angloamerikanischen Ex-Vorbilden verstecken muss, da sie das Genre innovativ und unterhaltsam erweitert.