Gregory Maguire: Wicked – Die Hexen von Oz (Buch)

Gregory Maguire
Wicked – Die Hexen von Oz
(Wicked – The Life and Time of the Wicked Witch of the West, 1995)
Aus dem Amerikanischen von Hans-Ulrich Möhring
Titelbild von WLPL
Klett Cotta, 2008, Paperback mit Klappenbroschur, 536 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-608-93811-1

Christel Scheja

Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht wenigstens das Filmmusical „Der Zauberer von Oz“ aus den 1930er Jahren kennt, das Judy Garland zu einem Weltstar machte. Einige haben vielleicht auch die Romane von Frank L. Baum gelesen. Und nicht zuletzt dürfte der eine oder andere auch das moderne Musical „Wicked“ kennen, das seit einigen Jahren auch in Deutschland erfolgreich läuft. Klett Cotta hat nun den Roman von Gregory Maguire veröffentlicht, von dem Letzteres inspiriert ist.

Wie auch schon in anderen seiner Bücher stellt der Autor nicht die strahlenden Helden in den Mittelpunkt seiner Geschichte, sondern die Antagonistin, die in allen früheren Versionen die Heldin aufzuhalten versucht und schließlich doch ein schmähliches Ende findet. Wer war die „Böse Hexe des Westens“ wirklich? Eine verdorbene und hässliche Frau, die nur Schlechtes im Sinn hatte und ihre Umgebung verderben wollte – oder hatte sie vielleicht sogar Grund, den Zauberer von Oz so zu hassen?

Schon die Geburt der kleinen Elpheba steht unter einem schlechten Stern. Das Mädchen kommt mit grüner Haut zur Welt und ist auch sonst nicht gerade ansehnlich. Ihre Mutter lehnt sie erst einmal kategorisch ab, und so ist es nur dem ‚Ämmchen‘ zu verdanken, dass die Kleine weiterleben darf.

Doch sie hat es in den ersten Jahren nicht gerade einfach. Ihre Mutter lässt sie die meiste Zeit links liegen, weil sie sie unheimlich findet, und sucht lieber das leichtfertige Vergnügen mit anderen Männern, da ihr eigener Gemahl, ein Prediger, nur selten zu Hause und wenn, dann auch nicht gerade sehr einfallsreich im Liebesspiel ist.

Die Eltern sehen das Mädchen jedenfalls als Strafe für ihren Lebensstil an. Nur wenige akzeptieren sie, wie sie ist, und werden zu ihren Freunden. Und indem sie sich später um ihre behinderte Schwester Nessarose kümmert, hat sie auch eine Aufgabe.
Schließlich besucht das Mädchen die Universität von Shiz, um Biologie zu studieren. Die Einzige, mit der sie dabei ein wenig engeren Kontakt pflegt, ist die eingebildete und ein wenig arrogante Galinda. Dennoch schaffen es die beiden sogar, so etwas wie Freundinnen zu werden.

Während dieser Zeit beobachtet Elpheba mit Sorge, wie der Zauberer von Oz, der sich eines Tages urplötzlich im Smaragdschloss eingenistet hat, die Welt, wie sie sie kennt, umkrempelt. Plötzlich sollen die TIERE, die Wesen, die trotz ihrer nichtmenschlichen Gestalt intelligent sind und sprechen können, immer mehr Rechte verlieren und zu Kreaturen zweiter Klasse werden.

Im Folgenden setzt sich die junge Frau, die weit davon entfernt ist, eine Hexe zu sein, für diese ein. Damit beginnt eine Irr-Reise durch das Land, die sie u. a. zurück nach Hause und für sieben Jahre in ein Kloster führt und an deren Ende ein nur all zu bekanntes Schicksal steht.

Freunde des Musicals „Wicked“ werden sehr schnell feststellen, dass dieses nur von einigen wenigen Stationen aus Elphebas Leben in diesem Buch inspiriert wurde und Maguires Roman einen ganz anderen Schwerpunkt hat. Es geht nicht nur um die Rivalität und Freundschaft der Hexen, in erster Linie hat man hier ein Plädoyer für die Außenseiter und Andersartigen vor sich.
Liest sich der Anfang noch wie ein klassischer Familienschicksals-Roman – die ersten Jahre des kleinen Mädchens sind von den frommen Ausbrüchen des Vaters und dem Ehebruch der Mutter, samt eines im Haus wohnenden Freundes geprägt –, so wandelt es sich später zu einem gesellschaftskritischen Buch. Elpheba ist die mahnende Stimme des Gewissens, die Andersdenkende, die nicht gewillt ist, die Demütigung ihrer Freunde hin zu nehmen. Sie ist sogar dazu bereit, gegen den Zauberer zu kämpfen und damit einen düsteren und grausamen Ruf zu riskieren.

Die Idee ist interessant und fast schon literarisch zu nennen, nur die Umsetzung kommt nicht ganz hinterher, da man nie wirklich erfährt, was Elpheba denkt und fühlt, wenn man vom Ende absieht, und die Handlung immer wieder Sprünge macht, ohne die Lebensabschnitte befriedigend abzuschließen. Nach jedem Kapitel bleiben Fragen offen, die leider auch bis zum Schluss nicht beantwortet werden.

Auch verstrickt sich der Autor gerade in der ersten Hälfte immer wieder in Nebensächlichkeiten, die die Spannung mindern, was dem Buch auch nicht gut tut, zumal man auch den Figuren gegenüber zu distanziert bleibt. So nimmt man an ihrem Schicksal letztendlich so gut wie keinen Anteil.

Alles in allem erweist sich der Roman als ein zwar sehr interessantes Fantasiemärchen mit guten Ansätzen, es schöpft aber fast nichts von dem aus, was sich der Autor durch sein Konzept an Hintergrund geschaffen hat und bleibt damit sehr oberflächlich.
Damit ist „Wicked – Die Hexen von Oz“ ein einerseits sehr schwergängiger, andererseits aber auch zu schlicht gestrickter Fantasy-Roman, der den meisten Lesern nicht liegen dürfte, vor allem wenn sie nach dem Genuss des Musicals etwas ganz anderes erwarten als eine gesellschaftskritische Story.