Andrea Tillmanns: Talivan (Buch)

Andrea Tillmanns
Talivan
Titelillustration von Victoria Berger
UlrichBurger-Verlag, 2007, Paperback, 154 Seiten, 10,50 EUR, ISBN 978-3-9812846-2-1

Christel Scheja

Die 1972 geborene Andrea Tillmanns ist eine promovierte Physikerin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Niederrhein. Dennoch findet sie immer wieder Zeit, Kurzgeschichten und Romane zu schreiben, meist mit phantastischem Inhalt. „Talivan“ präsentiert nun eine Sammlung von fünfzehn, in den letzten Jahren erschienenen, aber nicht mehr erhältlichen Kurzgeschichten.

Schon die Titelstory zeigt den Tenor der Geschichten an. Eine junge Frau verfolgt einen Mann, dessen Schwert sie an sich bringen will. Sie weiß, dass es zu ihr gehört und kennt sogar seinen Namen. Deshalb freundet sie sich mit ihrem Opfer an und kommt nach und nach hinter das Geheimnis, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.

„Entscheidungen“ werden ausgerechnet jetzt von Belsa gefordert, die ihr Schwert an den Nagel gehängt und sich unter den Mägden einer Burg verkrochen hat. Sie sehnt den Tag herbei, an dem sie endlich das loswerden kann, was sie zu diesem Schritt gezwungen hat: das Kind, das ihr ein Kamerad angehängt hat. Doch ausgerechnet jetzt, wenige Tage vor der Niederkunft, wird ihre Zuflucht angegriffen.

Die Krähe gilt von jeher als „Unglücksbote“. Aber trifft das auch für die junge Frau zu, die auf einer Reise ohne wirkliches Ziel ist?

„In den Straßen Alkyons“ fragt sich der Leibwächter Daron, warum sein Herr, der Kaufmann Marviolo, so unvernünftig sein will und allein zu einem Stelldichein mit seiner Geliebten geht. Denn der Krieger kennt die Verschlagenheit der Frauen nur all zu gut.

„Neulich im Zauber-Schnupperkurs“ erlebt eine junge Kaufmannstochter, die diese Unterrichtsstunden gewonnen hat, ein ziemliches Desaster und versteht nicht so recht, warum der Magier die restlichen Stunden nicht mehr einlösen will.

Den Geschichten ist eines gemein: Die dort entstandenen Konflikte lösen sich nicht mit Gewalt und Brutalität, sondern oft genug auch einfach nur durch Witz und Verstand, ohne dabei langweilig zu werden. Das liegt daran, dass die Autorin schon früh ein enges Band zwischen dem Leser und ihren zumeist weiblichen Protagonisten aufbaut.

Man fühlt mit Sinja, die hinter das Geheimnis des Schwertes „Talivan“ kommen will, spürt das Selbstmitleid und die Wut von Belsa auf sich selbst, die sich durch eigene Unvernunft in ihre jetzige Lage gebracht hat und dabei nicht so recht erkennt, dass sie eigentlich Leute um sich hat, die ihr helfen und sie unterstützen wollen. Die Figuren und ihre ganz persönlichen Erlebnisse stehen im Mittelpunkt, keine epischen Geschehnisse und weltbewegenden Umwälzungen.

Die kürzeren Erzählungen sind entweder auf eine augenzwinkernde Pointe zugeschnitten wie „Neulich im Zauber-Schnupperkurs“, und man beendet die Lektüre oft genug mit einem Grinsen im Gesicht. Oder sie sind stille, märchenhafte und intensive Stimmungsbilder wie „Im See“ oder „Lung Jiaos Geschichte“.

Alles in allem zeugt „Talivan“ von der abwechslungsreichen Erzählkunst Andrea Tillmanns’, die in erster Linie die Fantasy-Fans ansprecht, die atmosphärische Erzählungen mit intelligenten Lösungen und glaubwürdigen, weil nur all zu menschlichen Charakteren schätzen.