Markus Heitz: Collector (Buch)

Markus Heitz
Titelillustration von Nele Schütz Design
Heyne, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 654 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-453-52650-1

Carsten Kuhr

Markus Heitz, Bestsellerautor. Der Mann der uns nicht nur die Zwerge und Nimue (Piper) näherbrachte, als all seine Konkurrenten zusammen, sondern, der mit seinen Werwolf-, Vampir- und 20-er-Jahre-Thrillern (Knaur, Piper) auch bewiesen hat, dass er im Bereich der historisch angehauchten Weird Fiction zu punkten weiß, meldet sich einmal wieder bei Heyne zu Wort. Angekündigt als Hardcover wurde es jetzt doch „nur“ ein Paperback mit Klappenbroschur, doch der Inhalt lässt aufhorchen. SF, genauer gesagt: Space Opera, wird uns angeboten. Darf Markus Heitz das, seine Fantasy-Leser so auf ein anderes Gleis führen?

Wir schreiben das Jahr 3042. Mit Hilfe von auf der Erde gefundenen, abgestürzten Raumschiffsantrieben hat sich die Menschheit über die Galaxis ausgebreitet. Da man selbst nach Jahrhunderten der Forschung die Rätsel des interstellaren Reisens und dessen technischer Umsetzung nicht gelöst hat, ist man weiterhin auf das Aufspüren der fremden Raumschiffantriebe angewiesen. Dennoch hat sich die Menschheit, angeführt von den allmächtigen Konzernen, im All ausgebreitet. Mit Aliens wurde Kontakt aufgenommen, Handelsabkommen getroffen und Bündnisse geschmiedet.

Vor einem Vierteljahrhundert aber kam es zu einem anderen First Contact. Die „Collectors“ haben es sich auf ihre Fahnen geschrieben, die Menschheit in ihrer reinen DNA-Form zu retten, ob die Menschen dies nun wollen oder nicht. Die Beta-Humanoiden und die Menschen, Kinder zumeist mit mutierter Erbsubstanz, werden dagegen gnadenlos ausgerottet.

BaIn, ein indischer Großkonzern hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr über die nach wie vor unbekannten Aggressoren herauszufinden. So rüstet der Konzern eine Expedition von Justifiern, aufgerüsteten Weltraumkriegern, aus, die sich an Bord der Cortés auf die Suche nach der Heimat der übermächtig scheinenden Aliens machen soll. Und die Expeditionsteilnehmer sind ein gar seltsamer Haufen. Mit dabei ein in die Falle gelockter Schwerlastfahrer mit einer besonderen Gabe, eine ebenfalls zwangsverpflichtete Drogendealerin, deren Schwester (in deren Gehirn sich ein intelligenter Parasit, ein Rider eingenistet hat), Chemical, ein verrückter PSI-aktiver Pilot und ihre Truppe streitkräftiger Krieger.

Im Verlauf der abenteuerlichen Reise wird immer deutlicher, das 2OT, die Maschinenzivilisation, irgendwie mit den Collectors verbunden ist. Wird die Menschheit von den Mechanischen verraten, und wer nur sind die Ahumanen, die sich den Collectors in den Weg stellen? Zwei verlustreiche Raumschlachten später scheint das Ende der freien, selbstbestimmten Menschheit gekommen zu sein ...

Markus Heitz legt mit diesem Roman lediglich den Grundstein zu einer neuen, deutschen SF-Serie. Namhafte Autoren wie etwa Christoph Hardebusch haben ihre Mitarbeit angekündigt, ein begleitende Abenteuerspiel von Ulisses und eine Comic-Version sind in Vorbereitung – man merkt, dass hier viel Herzblut aller Beteiligter ins Projekt geflossen ist.

Ich stellte vorhin provokant die Frage, ob Markus Heitz seine Leser so vor den Kopf stoßen darf, und mir nichts, dir nichts das Genre abrupt wechseln dürfe. Er darf! Sicherlich gibt es Kritikpunkte am Roman. Die Welt erscheint in ihren Details nicht ganz ausgereift, gar zu viele Anglizismen stürzen auf den Leser ein, Erinnerungen an Vorbilder – von „Blade Runner“ bis „Shadowrun“ (woran Markus Heitz mitschrieb, bevor er die „Spiegel“-Bestsellerlisten erklomm), von „Perry Rhodan“ bis „Battlestar Galactica“ – werden wach, und so manches Mal steht der Autor mit der Logik ein wenig auf Kriegsfuß. Die Charaktere agieren oft unmotiviert, sind so manches Mal lediglich Stereotypen und insgesamt recht flach ausgestaltet. Demgegenüber merkt man dem Text aber an, mit wieviel Begeisterung am „munter drauflos fabulieren“ Heitz ans Werk gegangen ist, wieviel Spaß ihm dieser Roman gemacht hat.

Und es ist zu konstatieren, dass endlich einmal wieder einer der großen Publikumsverlage eine Lanze für die Abenteuer-SF bricht. Gerade in Zeiten, da scheinbar ausschließlich Romance- und Urban Fantasy oder „Harry Potter“- beziehungsweise HdR-Klons produziert werden, gegen den vermeintlich sicheren Strom anzuschwimmen, und noch dazu eine von heimischen Autoren verfasste Serie zu lancieren, verdient Achtung.

Dass Markus Heitz kurzweilig und spannend zu erzählen weiß ist bekannt, so dass sich der Roman trotz seines Ziegelsteinformats locker und flüssig in einem Rutsch durchliest. Die Auflösung des Grundes der in Obhut genommenen Menschheit selbst ist überraschend und verblüffend logisch zugleich.

Sicherlich kein Meilenstein der Science Fiction, aber ein letztlich gelungener Start einer neuen Abenteuer-SF-Reihe mit Verwicklungen, Intrigen, Verrat und Kämpfen satt, dazu böse Aliens und angeeignete Hochtechnologie.