Linea Harris: Verlorene Welt - Bitter & Sweet 3 (Buch)

Linea Harris
Verlorene Welt
Bitter & Sweet 3
ivi, 2017, Paperback, 376 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-492-70423-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Jillian Benetts Rückkehr nach den Ferien an die Winterfold-Akademie wird von einigen frustrierenden Entwicklungen überschattet: Ihr Freund, der Vampir Ryan Almond, scheint nichts mehr für sie zu empfinden, und eine überaus hübsche Vampirin hängt wie eine Klette an ihm. Der neue Lehrer für Magie-Unterricht ruft ständig Jill zu Vorführungen ihrer Kräfte auf, wodurch den übrigen Schülern deutlich vor Augen geführt wird, dass Jill, anders als die meisten Hexen, über mehrere Gaben verfügt, was für Unmut sorgt. Schlimmer noch ist jedoch das im Umlauf befindliche Gerücht, Jill sei ein Dämon und somit ein Feind. Tatsächlich ist sie eine Halbdämonin, wie sie und ihre Freunde seit Kurzem wissen.

Doch all das ist harmlos im Vergleich zu dem, was Jill wenige Wochen nach Schulbeginn erwartet. Die Anhörung vor der Verborgenen-Organisation entpuppt sich als Gerichtsprozess, dessen Ausgang von vornherein feststand. Jill wird als Dämonin verhaftet und soll entweder in einem unterirdischen Gefängnis verrotten oder unter besseren Haftbedingungen als Versuchskaninchen dienen, damit die geheimen Beschützer der ahnungslosen Menschen bessere Waffen gegen die Dämonen entwickeln können.

Jills Weigerung, sich den Forschern auszuliefern, ist jedoch keine Option. So oder so soll sie benutzt werden, aber ihren Freunden gelingt es, sie zu befreien und in die Unterwelt zu schicken. Dort lernt sie ihren und Chaz‘ Vater Baal, einen mächtigen Dämonenfürst, kennen, der besser ist als befürchtet. Ginge es nach Baal und Chaz, soll Jill für immer oder zumindest sehr lange im Exil bleiben, da man sie auf der Erde jagen würde. Doch der mächtige Dämon Leviathan, mit dem sich Jill schon einmal angelegt hat, schafft es mit Hilfe eines Verräters, auf die Erde zu gelangen und London in seine Gewalt zu bringen - und sein nächstes Ziel ist die Winterfold-Akademie, in der Jills Freunde hilflos den angreifenden Dämonenhorden ausgeliefert sind. Um sie zu retten, will Jill es erneut mit Leviathan aufnehmen, obwohl sie weiß, dass sie kein Gegner für ihn ist.


„Verlorene Welt“ ist der dritte und letzte Band der „Bitter & Sweet“-Trilogie (auf welche eine weitere Trilogie, „Bitter & Bad“, folgen soll). Man kann den Roman auch ohne Vorkenntnisse lesen, doch da hin und wieder Bezug auf die Ereignisse in den vorherigen Büchern genommen und vorausgesetzt wird, dass man weiß, was passiert ist und wie die Charaktere zueinander stehen, empfiehlt es sich, die Teile in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Nach wie vor hat man das Gefühl, eine Art Fan-Trilogie in Händen zu halten, in der Motive aus „House of Night“, „Vampire Academy“, „Twilight“ & Co. gut durch gemixt wurden. Die Hauptfiguren sind auch hier jung, besuchen eine (spezielle) Schule, müssen lernen, sich gegen mächtige Feinde zu verteidigen, und natürlich gibt es die üblichen Teenie-Themen wie miese Lehrer, Freundschaft, Mobbing und unglückliche Liebe. Hat man das einige Male gelesen, reißt es das reifere Publikum kaum noch vom Hocker, doch junge Leser, die das Genre erst für sich entdeckt haben, bekommen nicht so schnell genug davon.

An die Zielgruppe der romantischen Zwölf- bis Sechzehnjährigen sind die Romane auch adressiert, außerdem an die Fans der populären Titel, die bedauern, dass jene Serien abgeschlossen sind und die mehr davon  beziehungsweise ähnliches lesen wollen. Was das betrifft, werden sie von „Bitter & Sweet“ nicht enttäuscht. Die Autorin, vermutlich selbst aus Fan-Kreisen stammend, verwendet die vertrauten Archetypen und Motivationen, die ihr gefallen haben und mit denen sie auch den Nerv der Gleichgesinnten trifft.

Infolgedessen wechseln sich triviale Alltagssorgen, die für Teenager genauso wichtig, wenn nicht gar wichtiger sind als unmittelbare Gefahren (deren Dimensionen sie oft nicht abschätzen können), mit eben diesen ab. Das heißt, in dem einen Moment ist Jill so verzweifelt, weil sie fürchtet, Ryan an eine Rivalin zu verlieren, dass sie die Anhörung, von der sie weiß, dass sie nichts Gutes bedeutet, ganz vergisst, und im nächsten Moment lässt sie alles stehen und liegen, um die Erde und vor allem ihre Freunde vor einem Dämon zu retten, dem sie nicht gewachsen ist. Überhaupt agiert die Hauptfigur meist sehr planlos, stürzt sich kopfüber von einem Abenteuer ins nächste, und nicht selten sind es andere, die sie raushauen müssen und den Preis zu zahlen haben. Die unverschämte Nebenbuhlerin ist später keine Bemerkung mehr wert, verschwindet sang- und klanglos.

Es mögen Kleinigkeiten sein, die da hakeln, aber sie wären durchaus vermeidbar, und nicht alles kann man damit entschuldigen, dass in einem Spin-off vernachlässigte Fäden (vielleicht) aufgenommen und weitergesponnen werden. Einige interessante Ansätze wie die skeptischen Gefolgsleute von Leviathan, deren Motive man leider nicht viel Raum gab, wurden vertan.

„Bitter & Sweet“ wird zu einem befriedigenden Abschluss gebracht. Junge Leser werden sehr gut unterhalten, da sie sich in die Gefühlswelt der Protagonisten versetzen können und eine Menge Abenteuer erleben. Das reifere Publikum, wenn es sich auf das Thema einlassen möchte und weiß, was ihm geboten wird, kann ebenfalls Kurzweil erleben, doch wer über Lese-Erfahrung verfügt und kritischer hinterfragt, findet nichts Neues und stolpert über kleine Mängel.