Kevin Hearne: Gejagt - Die Chronik des Eisernen Druiden 6 (Buch)

Kevin Hearne
Gejagt
Die Chronik des Eisernen Druiden 6
(Hunted, 2013)
Übersetzung: Friedrich Mader
Titelbild: Birgit Gitschier
Hobbit Presse, 2017, Paperback, 364 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-608-96136-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Atticus‘ Schülerin Granuaile ist nun eine vollwertige Druidin. Aber den beiden bleibt keine Zeit, diesen Umstand zu feiern und es der jungen Frau zu ermöglichen, die Wunder, die ihre Verbindung zu Gaia mit sich bringt, zu erforschen und sich an ihnen zu erfreuen. Zwar konnte Atticus seine Widersacher Bacchus und Loki vorübergehend unschädlich machen, doch die Gefahr ist keineswegs gebannt, denn nun jagen Artemis und Diana die Druiden und den Hund Oberon.

Da die Magie von Pan und Faunus verhindert, dass Atticus und seine Freunde die alten Pforten benutzen können, die ins Reich der Tuatha dé Dannan und darüber an weitere Orte führen, sind sie gezwungen, in Tiergestalt durch halb Europa zu fliehen. Die Morrigan hat sich geopfert, um Atticus und den anderen einen Ausweg zu ermöglichen.

Dann jedoch geschieht das Unvorstellbare: Atticus wird von der Kugel eines Heckenschützen in den Kopf getroffen und stirbt - er, der rund zweitausend Jahre überlebt hat und gegen allerlei Eventualitäten gerüstet war. Trauernd lassen Granuaile und Oberon den Toten von dem Erdgeist Saxonia bestatten und beschließen, sich dem unvermeidlichen Kampf mit den Jagdgöttinnen zu stellen, was den sicheren Tod der Druidin und des Hundes bedeutet.


Man kann sagen, dass sich Atticus nebst Begleiter seit gut drei Bänden auf der Flucht befinden und es für das Trio kaum eine Verschnaufpause gab. Auch der sechste relativ in sich abgeschlossene Band, „Gejagt“, folgt der Tradition des Road Movie, weil die Protagonisten ständig in Bewegung sind, kaum ein Aufenthalt länger als fünf Tage dauert und auf der Reise ständig Überraschungen für einen unerwarteten Verlauf sorgen.

Atticus, Granuaile und Oberon müssen zu Fuß auf dem Landweg reisen und schwimmend Gewässer durchqueren, da ihnen weder die magischen Pforten noch technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Zwar sind auch ihre Verfolger gewissen Regeln unterworfen, sodass sie ihre Macht nicht vollends ausspielen können, doch sind sie im Vorteil, schon aufgrund ihrer Unsterblichkeit (wobei andere Götter als die Olympier durchaus getötet werden können).

Obwohl es eigentlich bloß Bacchus ist, dessen Feindschaft sich Atticus zugezogen hat, fühlen sich die anderen Olympier dazu aufgestachelt, sich im Namen eines der ihren an dem Druiden und allen, die ihm beistehen, zu rächen. Dass sie damit Ragnarök umso schneller näher rücken lassen, wenn Atticus den Platz des verstorbenen Thors nicht einnehmen kann, ist ihnen egal, da sie nicht so weit  denken, dass das Ende der Welt auch für sie Konsequenzen hat.

Aber andere wollen Atticus ebenfalls töten: Loki und seine Tochter Hel, die Vampire, die Schwarzalben, offensichtlich einige mächtige Tuatha dé Dannan und… wer weiß. Zu allem Übel verliert er eine wichtige Verbündete, doch hat er nun die Asen auf seiner Seite, kann Herne als Verbündeten gewinnen und sich auf die Freundschaft einzelner Tuatha dé Dannan verlassen. Will er jedoch am Leben bleiben und seine Kameraden aus der unmittelbaren Schusslinie bringen, muss Atticus die Olympier auf die harte Tour davon überzeugen, dass sie keinen Grund haben, ihn zu bekämpfen, und mehr noch, dass sie sich mit ihm verbünden sollten, um Ragnarök abzuwenden. Alles spricht gegen einen Erfolg.
Und dann stirbt Atticus.
Sehr unspektakulär.
Durch einen Schuss, abgefeuert von einem Heckenschützen.
Falls man selbst lesen möchte, wie sich Granuaile und Oberon durchschlagen beziehungsweise. ob es ein Wunder gibt, dann sollte man den folgenden Absatz auslassen, da Spoiler enthalten sind.


- ACHTUNG: SPOILER! -

Eigentlich dürfte kaum ein treuer Leser daran zweifeln, dass Atticus, der manchmal schon zu selbstsicher auftritt, was sich prompt rächt, auch für den Fall seines Todes einen Trick auf Lager hat. Hinzu kommt der Umstand, dass er gebraucht wird, um Ragnarök zu verhindern, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Autor seinen bisherigen Helden, in dem er voll aufzugehen scheint, einfach abserviert und die frischgebackene Druidin Granuaile so mir nix, dir nix als Ersatz nominiert.

Tatsächlich wechselt die Perspektive - Kevin Hearne lässt Atticus in der ersten Person seine Erlebnisse schildern - zu Granuaile, aber man merkt, dass der Autor damit nicht glücklich ist, dass er sich nicht auf den Charakter der jungen Frau im gleichen Maße einlassen kann, dass er sie lieber aus den Augen von Atticus betrachtet; selbst Oberon gelingt ihm besser.

So bleibt dies ein kurzes (später wiederholtes) Intermezzo - und, tataa, der gerissene Druide ist wieder da. Er trifft gerade noch rechtzeitig ein, um den Tod seiner Freunde zu verhindern, die Jagdgöttinnen zu überwältigen und mit einem Plan aufzuwarten, der den Spieß umdrehen soll. Einige Hürden sind nach wie vor noch zu nehmen, doch endlich sind einige Erfolge zu verbuchen.

Dieses Kapitel kann sogar einstweilen als abgeschlossen und als Überleitung zu einem neuen betrachtet werden, denn Atticus ist immer noch auf der Suche nach den eigentlichen Rädelsführern, die ihm Übles wollen. Einige von ihnen findet er tot vor, was heißt, dass sein wahrer Feind, der selbst Götter gegen ihn aufzuhetzen vermag, nicht nur äußerst mächtig, sondern auch darauf bedacht ist, alle entlarvenden Spuren zu beseitigen und Mitwisser zu eliminieren.

Mit einem kleinen Cliffhanger, dem Abschiedsgruß der Morrigan, endet der Band.

- SPOILER-ENDE -


Obschon die fortwährende Flucht auf Dauer sehr öde wirkt und vor allem Zeit zu schinden scheint, um Ragnarök und das Ende der Serie aufzuschieben, so gleitet die Handlung dennoch nicht in die Langweile ab, da der Autor Atticus die Geschehnisse ironisch kommentieren und mit Anekdoten würzen lässt. Auch der Hund Oberon sorgt immer wieder durch seine treffenden Bemerkungen für auflockernde, humorige Momente in der ansonsten hektischen, martialischen und spannenden Story. Für Romantik bleibt wenig Zeit, denn alle wollen überleben (und verzichten dankenswerterweise darauf, in den unpassendsten Momenten übereinander herzufallen, wie dies in vielen Paranormal Romances der Fall ist).

Hinzu kommt, dass immer wieder etwas passiert. Die Pläne, welche die Druiden schmieden, verlaufen nie glatt, unvorhersehbare Ereignisse komplizieren alles, erfordern ein Umdenken und führen zu unerwarteten Wendungen. Insofern war Atticus‘ Tod wahrlich ein Knaller.

Auch die unkonventionelle Art, wie in der Gegenwart mit archaischen Göttern aus verschiedenen Kulturkreisen umgegangen wird, überhaupt, wie sie und ihre Welten gleichrangig nebeneinander eingebaut werden mit Überschneidungspunkten, ist wirklich mal etwas anderes und faszinierend zu lesen.

Kein Wunder, wenn man nach der Lektüre gespannt auf die Fortsetzung, „Erschüttert“, gespannt wartet!