Ben Aaronovitch: Der Galgen von Tyburn (Buch)

Ben Aaronovitch
Der Galgen von Tyburn
(The Hanging Tree)
Übersetzung: Christine Blum
Titelbild: Lisa Höfner
dtv, 2017, Taschenbuch, 414 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-423-21668-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Einst war das Leben für Peter Grant ja so einfach. Sicherlich, seine etwas bestimmende Mutter, ein nun nennen wir es etwas chaotisches Liebesleben und sein Job als farbiger Bobby in London sorgten dafür, dass ihm nicht langweilig wurde. Das alles änderte sich dann aber doch ziemlich markant, als er in die Dienste einer höchst geheimen Spezialeinheit der Polizei trat. Seitdem beschäftigt er sich beruflich nur mit ganz besonderen Fällen - Fällen, in denen Magie eine Rolle spielt.

Magie, das ist allgemein bekannt, gibt es nicht, Zauberer sind allenfalls geschickte Blender. Das zumindest ist die offizielle Version. Na ja, nach ausgiebiger Anleitung hat Peter inzwischen selbst gelernt, ein paar Zauber zu wirken, hat personifizierte Flüsse getroffen, wurde verflucht, unter einer U-Bahn-Station begraben, flog zusammen mit einem Hochhaus in die Luft und ist gerade mit einem Fluss liiert. Liiert, so wie in zusammen schlafen, Sex haben und so weiter. Das geht, auch wenn man dabei, dank der vielen Vollbäder, doch sehr reinlich wird.

Zurück zum Thema. In Hyde Park No. 1, einer der teuersten Adressen der Stadt, kam ein junges Mädchen aus guter Familie, sprich mit Geld, ums Leben. Mit dabei war auch die Tochter einer der Flussgöttinnen Londons, der Peter noch einen großen Gefallen schuldig ist. Trotz ihrer Verwicklung in die Beschaffung der Drogen, durch die das Mädchen letztlich starb, soll er die Tochter aus den polizeilichen Ermittlungen heraushalten.

Als seine Kollegen und er das Umfeld näher begutachten, stoßen sie auf merkwürdige eBay-Angebote. Da wird ein lange verschollenes Kassenbuch von Sir Isaac Newton angeboten, in dem dieser, der Gründer der britischen Loge der Magier, das Geheimnis um den Stein der Weisen niedergelegt haben soll. Dass daran auch Peters Intimfeind, der Gesichtslose, und seine frühere Freundin verwickelt sind, macht die Sache für Peter und seinen Vorgesetzten zusätzlich brisant.

Dazu gesellen sich Hexen, US-Geheimagenten und jede Menge gefährliche Zaubersprüche - und schon wird es teuer, geht doch bei der Jagd nach dem Buch, den Kämpfen gegen die Bösen und dem Duell der Magier, so Manches zu Bruch…


Ben Aaronovitchs Urban-Fantasy-Reihe um Peter Grant hat Kult-Status erreicht. Fans auf der ganzen Welt warten ungeduldig darauf, dass der Autor ihnen weitere Geschichten kredenzt. Dass diese inzwischen so miteinander verzahnt sind, dass es für Neueinsteiger schwer ist dem Plot wirklich zu folgen, sei angemerkt -  wer aber einmal von dem Virus befallen wurde, der liest sowieso weiter.

Aaronovitch ist ein Mann, der das Unterstatement liebt. Zwar passieren auch in seinen Büchern gefährliche Sachen - das gesprengte Hochhaus sei erwähnt -, allerdings baut er seinen Plot lieber etwas kleiner auf. So sind es die fast nebensächlich eingestreuten Geschichten, Anmerkungen und lakonischen Bemerkungen, die dem Text prägen und die Lektüre erst so angenehm und interessant machen. Mit feinem Gespür für Stimmungen zeichnet der Autor seine Motive, baut immer wieder aus den bisherigen Bänden bekannte Figuren mit ein, hinterfüttert auf diese Weise seine Handlung mit Tiefe. Sei es die farbige Mutter Grants, sein Jazz-begeisterter Vater, die Flussgöttinnen, Fae oder die Vorgesetzten, sie alle werden pointiert gezeichnet. Dabei spricht aus den Beschreibungen immer auch ein sehr trockener Humor, der nie aufgesetzt wirkt.

Inhaltlich geht es mit der Jagd nach dem Gesichtslosen und seiner willigen Helferin, deren Seitenwechsel Grant nach wie vor zu schaffen macht, kaum voran. Irgendwie scheinen unsere „Helden“ immer einen Schritt zu spät zu kommen, nie wirklich die Chance zu haben, die übermächtig scheinenden Kontrahenten zu stellen und zu bezwingen. So können sie auch vorliegend nur das Schlimmste verhindern, ohne wirklich einen Punktsieg landen zu können.

Allerdings mangelt es vorliegendem Werk ein ganz klein wenig an der Leichtigkeit, die die vorhergehenden Romane ausgezeichnet hat. Lange, fast zu lange bleibt der Plot auf die Ermittlungen des Drogendelikts konzentriert, zu spät und recht abrupt kommt dann der Schwenk hin zum Gesichtslosen. Dies bewirkt, dass bei aller Faszination die vom Text ausgeht, der Lesefluss kurz stockt und wir uns zurückbesinnen und neu einfinden müssen.

Wohlgemerkt, das ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau und das Buch immer noch dem Meisten, was derzeit in der Urban Fantasy erschein, meilenweit überlegen, aber Aaroniovitch kann es noch einen Tick besser.