Peter Clines: Der Raum (Buch)

Peter Clines
Der Raum
(14, 2012)
Übersetzung: Marcel Häußler
Heyne, 2017, Taschenbuch, 590 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-453-31642-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Ähnlich wie bei Peter Clines’ deutschem Erstling „Der Spalt“ (in den USA erschien das hier besprochene Buch zuerst) hat man bei der Umschlaggestaltung durch die Firma Das Illustrat eine Anspielung auf diesen deutschen Erstling gemacht und erneut eine Art Spalte (besser eine Abtrennung durch eine Stange und die unterschiedliche Farbgestaltung der beiden Seiten dieses Bildtrenners) auf dem Titelbild erzeugt, nur diesmal viel subtiler (eine wirklich gute Idee!).

Wie schon bei Clines' anderem Roman fällt auch hier wieder auf, welch wunderbarer Erzähler der Autor ist, wenn auch die Auflösung der Geschichte im letzten Drittel dann doch sehr enttäuschend erscheint bezüglich der Kreativität des US-Amerikaners.


Doch der Reihe nach: Nate Tucker ist ein kleiner Datensachbearbeiter mit einem wenig anspruchsvollen und deshalb auch leider nur minderwertig bezahlten Job. Als seine WG sich auflöst, sucht er dringend nach bezahlbarem Wohnraum, was in Los Angeles wie in allen Boom-Städten fast unmöglich erscheint. Durch den Tipp eines Bekannten gelingt es ihm jedoch, eine kleine Wohnung in einem toll gelegenen alten Hochhaus zu ergattern, und dies auch noch zu einem wirklich geringen Preis.

Nate merkt jedoch schnell, dass in und um das Gebäude viele Dinge mysteriös erscheinen. So stehen manche Räume leer, in einer Wohnung soll sich im Laufe der Jahrzehnte jeweils jeder Mieter suizidiert haben oder zumindest panikartig ausgezogen sein, das Gebäude hängt seltsamerweise nicht an der öffentlichen Stromversorgung und manche Räumlichkeiten scheinen für immer versiegelt zu sein, so wie der Aufzugsschacht, der wohl noch nie in der Historie des Gebäudes funktioniert zu haben scheint. Zudem steht das Haus unter Denkmalschutz, obwohl niemand weiß, warum.

Als Nate dann einige seiner Nachbarn kennenlernt, beschließt er, mit diesen zusammen den Geheimnissen auf den Grund zu gehen, was bald zu Aufsehen erregenden Entdeckungen führt...


So weit, so interessant. Leider nimmt die Geschichte im letzten Drittel dann eine sehr klischeehafte Wendung und als Leser stellt man dann fest, dass dem Autor nichts wirklich Neues eingefallen ist, sondern die ganze Geschichte eine riesige Hommage an einen Schriftstellerkollegen und dessen berühmtes Werk ist.

Wer keine Spoiler mag, der sollte vielleicht ab hier nicht mehr weiter lesen, denn natürlich sollte ich noch etwas auf den vom Autor offensichtlich so geschätzten Kollegen (H. P. Lovecraft) und dessen bedrohliches Universum der Großen Alten eingehen beziehungsweise auf Clines’ Hommage dieser erschreckenden Welt.

Geht man arglos an die hier erzählte Geschichte heran, dann gefallen die immer mystischer werdende Atmosphäre, die glaubhaften und interessanten Charaktere und der zunehmende Spannungsgehalt der Erzählung außerordentlich. Hier liegt eindeutig Clines’ Stärke. Wie schon in „Der Spalt“ dreht der Autor äußerst geschickt und sehr professionell an der Spannungsschraube und nimmt den Leser mit in eine ebenso bezaubernde wie bedrohlich wirkende Welt.

Leider ist jedes Mysterium nach der Offenbarung, dass es sich nur um eine erneute Reise in die zwar interessante, aber leider auch extrem klischeehafte Welt des H. P. Lovecraft handelt, perdu. Was dann folgt ist sattsam bekannt und so oft durchgenudelt, dass es fast schon nicht mehr erschreckend ist. Jonathan L. Howards starker Roman „Carter & Lovecraft“ ist dem dann eindeutig vorzuziehen, bildet er doch viel mehr von Lovecrafts Universum ab und stellt die eindeutig stärkere Hommage dar (und ist auch viel eigenständiger und ideenreicher!).

Schon die Einführung von Nikola Tesla als Erbauer/Konstrukteur des Hauses ist erneut eines diese sattsam bekannten Klischees, die den erfahrenen Leser eher langweilen. Zumindest ist der Autor hier so frech und weist auf seine Inspirationsquelle hin, den Film „The Prestige - Duell der Magier“, die Verfilmung eines genialen Buchs des britischen Autors Christopher Priest (ein absolutes Meisterwerk!).

Hätte Clines hier etwas Eigenständiges kreiert, wäre er sicherlich besser gefahren.

Was bleibt ist so ein schaler Nachgeschmack, denn das Buch ist zweifellos über alle Maßen unterhaltsam, die Lektüre bereitet große Freude und sogar der Ärger über die „Lovecraft-Klischees“ kann nicht verhindern, dass der Leser das Ende der packenden Geschichte erfahren will, da sie unglaublich spannend ist.