Stephen King: Basar der bösen Träume (Buch)

Stephen King
Basar der bösen Träume
(The Bazaar of Bad Dreams, 2015)
Übersetzung: Wulf Bergner, Ulrich Blumenbach u.a.
Heyne, 2017, Taschenbuch, 798 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-453-43892-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Die vorliegende Taschenbuch-Ausgabe enthält 19 Prosa-Texte des US-amerikanischen Autors und zwei Lyrik-Texte, wobei die wunderbare Geschichte „Die Keksdose” erstmals in diesem Taschenbuch unter diesem Titel erscheint (war also in der Hardcover-Ausgabe nicht enthalten).

Auffällig ist leider, dass die Qualität der kürzeren Texte bei King im Durchschnitt im Laufe der Jahrzehnte etwas nachgelassen hat. Waren die Vorgängerbände mit Storys und Novellen Kings immer gespickt mit absoluten Highlights des Autors, so muss man bei der vorliegenden Ausgabe länger suchen, um wirklich überragende Texte zu finden.

Positiv zu erwähnen bleibt aber auch, dass kaum wirklich mäßige oder schlechte Geschichten hier versammelt sind, denn immer wahrt der Autor ein gewisses Niveau und schreibt, wenn schon nicht originell, so doch zumindest packend und sehr unterhaltsam.

Dies gilt zum Beispiel für die erste Novelle, „Raststätte Mile 81”, eine typische Horror-Story, die vor allem durch ihre Spannung und den schmissigen Stil glänzt, in dem King hier blutige Details serviert. Inhaltlich abgeschmackt (ein menschenfressendes Auto macht eine stillgelegte Raststätte unsicher) und schon dutzendfach beschrieben, macht es trotzdem Spaß, dem Verlauf der Erzählung zu folgen, da die Spannung nicht nachlässt. Ähnliche Qualitäten weisen auch andere Geschichten dieses Bandes auf.

Wirklich überzeugend sind dagegen jene atmosphärisch dichten Erzählungen, denen noch eine gute Idee zugrunde liegt.

Nicht wirklich neu aber doch für jeden Literatur-Fan immer wieder verblüffend und anregend ist die mit fast 100 Seiten längste Geschichte „Ur”, die es dem Erzähler ermöglicht, Bücher aus Parallelwelten herunter zu laden. Was wäre, wenn der persönliche Lieblingsautor oder die Lieblingsautoren in anderen Welten noch weitere Bücher veröffentlicht hätten und man diese mit einem seltsamen (weil „rosafarbenen”; na ja, nicht alle Ideen Kings sind auch nur annähernd gut!) kindle einfach so herunter laden könnte? Für jede Leseratte natürlich eine der wunderbarsten Ideen der Welt!

Auch die hier erstmals eingefügte Story von der niemals leer werdenden Keksdose, die aber nur Symbol für die Kriegserlebnisse einer Familie beziehungsweise deren Wunsch nach Frieden, Gesundheit und Unversehrtheit ist, gehört zu den herausragenden Texten dieser Sammlung.

Dann ist da noch die brutal ehrliche und extrem ungeschönte Story „Hermann Wouk lebt noch”, die den Leser daran erinnert, wie elend das Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten oft sein kann, vor allem wenn man arm und ohne Bildung ist.

Und dann ist da noch die wunderbare Idee mit dem Reporter, der durch Zufall entdeckt, dass seine satirischen Todeswünsche in Erfüllung gehen, egal über wen er die Todesanzeige schreibt, was aber natürlich (dies ist in Geschichten dieser Art so üblich) einen hohen Preis vom Protagonisten fordert („Nachrufe”).

Die vielleicht beste aber auf jeden Fall witzigste Story heißt „Feuerwerksrausch” und erinnert fast an eine Geschichte von Ephraim Kishon. Der „Schwanzvergleich” zweier konkurrierender Familien eskaliert und führt zum Unglück, wobei man als schadenfroher Leser sich einfach nur dauernd auf die Schenkel klopfen möchte (herrlich auch das Bild der Alkiproleten, die der Autor hier entwirft).

Auch die leider kurze aber sehr atmosphärische Abschluss-Story „Sommerdonner” weiß noch einmal voll zu überzeugen, schafft es King doch auf wenigen Seiten, den Leser in eine hoffnungslose Welt nach der großen Katastrophe zu entführen, wieder einmal ein vom Menschen selbst erschaffenes Unglück.

Die meisten anderen Texte bieten zumindest solide Unterhaltung und lediglich die Geschichten „Ein Tod” (deren A-Ha-Effekt meiner Meinung nach nicht zündet), die überlange und deshalb arg langweilige Baseball-Novelle „Blockade Billy” und die etwas oberflächliche Kurzgeschichte „Mister Sahneschnitte” (eine Peinlichkeit!) trüben den ansonsten guten Eindruck hoher Unterhaltungsqualität etwas (ebenso wie die beiden lyrischen Texte, die sicherlich nicht jeden Leser begeistern können).

Insgesamt stellt die vorliegende Text-Sammlung des US-Amerikaners aber wieder wunderbares und extrem unterhaltsames Lesefutter dar. Die eine oder andere Perle ist mit an Bord, so wie man dies bei Stephen King gewohnt ist, nur leider nicht mehr so viele wie früher.