LS Hawker: Grausames Erbe (Buch)

LS Hawker
Grausames Erbe 
(The Drowning Game, 2015)
Übersetzung: Joannis Stefanidis
Harper Collins, 2017, Paperback, 368 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-95967-058-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

LS Hawker gehört zu den schreibfreudigen Autorinnen, die bereits als Teenager ihre ersten Geschichten verfassten und irgendwann nach dem Studium und der Gründung einer Familie auf die Idee kamen, ihre Geschichten auch bei einem Verlag einzureichen. „Grausames Erbe“ ist ihr erster auf Deutsch erschienener Roman und bewegt sich nahe am dem, was auch das True-Crime-Genre gerne hervor bringt: Geschichten, wie sie das Leben wirklich schreiben könnte.

 

Petty hat bisher nicht viel anderes als ihr Zuhause und den Schrottplatz kennengelernt, auf dem sie schon seit ihrer Kindheit arbeiten musste. Ihr Vater hat sie zudem in der Nacht in ihrem Zimmer eingeschlossen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam. Auf der anderen Seite hat er sie immer eine Waffe tragen lassen und in Überlebens- und Kampftechniken ausgebildet. So hat das etwas mehr als zwanzig Jahre alte Mädchen niemals eine Schule besucht oder mit anderen Kindern gespielt. Und sie weiß nichts über ihre restliche Familie.

Als der Vater überraschend stirbt, gerät deshalb auch ihre Welt völlig aus den Fugen, denn sie kommt erstmals mit anderen Leuten in Berührung, die von ihrem Leben in Gefangenschaft schockiert sind und sich auch fragen, warum ihr Vater so ärmlich lebte, obwohl er Geld hatte und nun auch verfügte, dass Petty ausgerechnet einen zwielichtigen Typen aus dem Ort heiraten soll.

Doch will das Mädchen sich überhaupt dem letzten Willen ihres Vaters beugen, auch wenn sie damit alle Sorgen los wäre? Eigentlich nicht - und deshalb macht sie sich mit einigen Leuten, die ohne Vorbehalte zu ihr stehen und es ehrlich mit ihr meinen, daran, die Familiengeheimnisse zu ergründen, die es tatsächlich in sich haben und für so manche Überraschung sorgen.


Das Buch liest sich tatsächlich wie eine wahre Geschichte: Eine junge Frau, die seit ihrem dritten Lebensjahr von ihrem Vater bewusst von der Welt abgeschirmt und zu einer Kämpferin ausgebildet wird, das hat es durchaus schon einmal gegeben, auch die Möglichkeit, dass der Mann unter Umständen nicht einmal ihr Vater ist.

Die Geschichte ist für einen Thriller tatsächlich sehr ungewöhnlich, da man nie wirklich weiß, was als Nächstes geschieht, was der Autorin jetzt schon wieder einfällt, um die Handlung auf den Kopf zu stellen, denn was tatsächlich Sache ist, das kann man lange nicht sagen. Und immer wieder gibt es Überraschungen, die irgendwie nicht zusammen zu passen scheinen, denn warum bildet der Vater sie erst zu einer Kampfmaschine aus, sorgt dann aber auf der anderen Seite dafür, dass sie gleich wieder in die Obhut des nächsten Mannes übergeht?

Zwischenzeitlich wird das Ganze etwas unübersichtlich und seltsam, die einzelnen Fäden fügen sich am Ende aber glücklicherweise doch zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Nicht ganz so überzeugend ist allerdings die Heldin. Sie mag kampferfahren sein und durchaus intelligent, rutscht aber durch ihre Unerfahrenheit, was die Menschen um sie herum betrifft, doch immer wieder in die Opfer-Rolle zurück und muss von den Männern gerettet werden - so als ob das bei einem erfolgreichen Buch einfach dazu gehören müsste. Dennoch hebt sich die Geschichte etwas von denen gleichen Schlags ab und bietet so kurzweilige Unterhaltung mit einem gewissen Gruselfaktor und Entwicklungen, die sich absolut nicht vorhersehen lassen, auch wenn die Autorin manchmal zu viel des Guten wagt.

„Grausames Erbe“ ist ein den True-Crime-Geschichten angenähertes Buch, das durch seine vielen Wendungen und Überraschungen vor allem Leser fesseln dürfte, die auch einmal ungewöhnlichere Romane mit bösen Twists mögen und über keine Schwächen in der Handlung gerne hinwegsehen.