Lone Wolf 2100 (Comic)

Mike Kennedy
Lone Wolf 2100
(Lone Wolf 2100 Omnibus, USA 2002-2004)
Übersetzung: Frank Neubauer
Titelbild und Zeichnungen: Francisco Ruiz Velasco
Cross Cult, 2016, Hardcover, 304 Seiten, 39,95 EUR, ISBN 978-3-95981-035-7

Rezension von Irene Salzmann

Die japanische Gekiga-Serie „Lone Wolf and Cub“, geschrieben von Kazuo Koike („Crying Freeman“, „Lady Snowblood“), gezeichnet von Goseki Kojima (1928-2000, „Songokuu“, „The Ninja“), erschien von 1970 bis 1976 in 28 Bänden. Überdies gibt es eine auf der Reihe basierende 79teilige TV-Serie und eine Filmreihe in 6 Episoden, „Okami - Schwert der Rache“.

2003 wurde eine neue Serie gestartet, „New Lone Wolf and Cub“, auch wieder verfasst von Kazuo Koike, gezeichnet von Hideki Mori („Tengu“, „Umizuru“), die das weitere Schicksal von Ogami Ittos Sohn Daigoro in 11 Bänden schildert.

„Lone Wolf 2100“ wurde, so der Klappentext, von Mike Kennedy („Alien Vs. Predator“) geschrieben in Zusammenarbeit mit Kazuo Koike. Hierfür wurde im Prinzip die Handlung aus der Edo-Zeit in eine Zukunft verlegt, in der die Menschheit durch ein Virus dem Untergang geweiht zu sein scheint, während sich die Androiden bereit machen, den Platz ihrer Schöpfer einzunehmen. Die Zeichnungen lieferte Francisco Ruiz Velasco („Star Wars Tales“, „Thunderbolts“).


„Lone Wolf and Cub“ (= einsamer Wolf und Kind) ist die Geschichte des Ronin Ogami Itto, der sich in Begleitung seines Sohnes Daigoro als Auftragskiller durchschlägt, nachdem er durch Verrat in Ungnade fiel. Sein Ziel ist es, Rache an den Verrätern zu nehmen, die sein und das Leben seiner Familie zerstört haben.

Die Zukunftsversion beschreibt Itto als einen Androiden, der den letzten Auftrag seines Schöpfers ausführt: Er beschützt Daisy Ogami, dessen Tochter, deren Körper ein Virus beherbergt, das entweder die Rettung oder das Ende der Menschheit bedeuten kann. Beide werden gejagt, Itto, weil viele glauben, dass er Daisys Vater ermordet hat, und das kleine Mädchen, weil man sie für eine Bedrohung hält.

Auf der Suche nach einer sicheren Zuflucht werden die beiden immer wieder von ihren Häschern aufgestöbert oder durch Dritte aufgehalten. Allein Ittos Beharrlichkeit, seiner Treue und seinem kämpferischen Können ist es zu verdanken, dass sie immer wieder im letzten Moment einer schier ausweglosen Situation entrinnen können. Aber die Gegner lernen dazu, und sie werden immer skrupelloser …


„Lone Wolf 2100“ offeriert ein düsteres Endzeit-Szenario, das stellenweise an „Mad Max“ und „Planet der Affen“ erinnert. Die Hauptfiguren befinden sich fortwährend auf der Flucht, und obschon für Itto Daisys Wohl an erster Stelle steht, findet er immer wieder Zeit, anderen, die ebenfalls in Bedrängnis sind, zu helfen. Im Rahmen der Frage, wie menschlich Androiden sind, reflektiert er vieles und lernt hinzu, wodurch die vordergründig actionlastige Erzählung an Tiefgang gewinnt.

Die Zeichnungen ersetzen oftmals gelungen die Dialoge, da die Bilder ausdrucksvoll genug sind, um die Geschehnisse zu vermitteln. Die Figuren wirken etwas überzeichnet, was jedoch zur Handlung passt und eine Brücke zum Original „Lone Wolf and Cub“ schlägt. Die Farbgebung ist überwiegend dunkel, teils Ton in Ton, teils kontrastreich, zum Beispiel fast immer Blau-Rot (eiskalt, nüchtern und zugleich leidenschaftlich, tödlich) wenn Belladonna in Szene gesetzt wird.

Wer den Gekiga gespannt verfolgt hat, wird sich gewiss auch für die Zukunftsadaption interessieren. Aber selbst wenn man ohne Vorkenntnisse als erwachsener SF- und eventuell Martial Arts-Fan an die Lektüre herantritt, dürfte man sich von der vielschichtigen Geschichte gut unterhalten fühlen.

Auch die Gestaltung der limitierten Ausgabe ist sehr gefällig: Hardcover im US-Comic-Format, Kunstdruckpapier, das komplette Abenteuer in einem 300 Seiten starken Band. Knapp 40,00 EUR sind natürlich nicht wenig, aber bedenkt man, dass man für diesen Betrag drei frankobelgische HC-Alben mit zusammen vielleicht halb so vielen Seiten erhält, dann sieht man das Preis-Leistungs-Verhältnis mit anderen Augen.