Alexander Drews: Antes De Morir (Buch)

Alexander Drews
Antes De Morir
Titelbild: Christian Günther
Amrûn, 2016, Paperback, 266 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-95869-219-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Die Journalistin Sandra hat das regengraue Hamburg für das sonnige Spanien hinter sich gelassen und hofft auf einen Top-Artikel, der ihr hilft, ihre Position bei einer kleinen Zeitung zu festigen. Die Chance scheint gekommen, als Sandra und José, ein Kollege, in den sie verknallt ist, von ihrer Chefin beauftragt werden, eine Serie über historische, vergessene Orte zu schreiben.

Nur wenig ist bekannt über Tijodatantalas: Vor über 70 Jahren ereignete sich in der nahen Mine ein furchtbares Unglück. Offenbar konnten die verschütteten Bergmänner nicht gerettet werden und das Unternehmen gab die Mine auf, nachdem den Hinterbliebenen hohe Entschädigungen gezahlt wurden. Längst ist die Siedlung auf keiner aktuellen Straßenkarte mehr eingezeichnet, und so erwarten die beiden Reporter bestenfalls ein paar vom Gestrüpp überwucherte Ruinen.

Weit gefehlt! Tijodatantalas war weit größer, als angenommen, und noch immer stehen zahlreiche einsturzgefährdete Wohnhäuser und eine Kirche. In einem der Gebäude finden Sandra und José ein spielendes Mädchen. Es dauert nicht lang, bis weitere Bewohner des Ortes auftauchen und den staunenden Gästen erzählen, dass sie trotz des Fehlens der modernen Annehmlichkeiten (inklusive Strom) gut zurechtkommen.

Während José die Erklärungen, ohne sie zu hinterfragen, akzeptiert und sehr zu Sandras Verdruss nur noch Augen für die wunderschöne Aurora hat, wird Sandra das Gefühl nicht los, dass mit diesen Leuten etwas nicht stimmt. Als sie ohne José, der prompt in Auroras Bett landet, aufbrechen will, hat der heftige Regen den ausgetrockneten Graben, der den Weg quert, zu einem reißenden Fluss anschwellen lassen, sodass sie in die Siedlung zurückkehren muss.

Erst am nächsten Tag schafft Sandra es, die Hütte eines alten Mannes zu erreichen, der sie und José gewarnt hatte, nach Tijodatantalas zu fahren. Was er ihr enthüllt, ist kaum zu glauben, aber was sie gesehen hat, scheint seine Geschichte zu bestätigen. Auch wenn Sandras Gefühle für José mittlerweile erkaltet sind, weiß sie, dass sie ihn nicht im Stich lassen darf…


Nach „Sagredo“ hat Alexander Drews mit „Antes De Morir“ („Vor dem Sterben“) einen weiteren Mystery-Roman geschrieben, der in Spanien spielt und in dem es um das Aufdecken seltsamer Vorkommnisse geht.

Zwei Journalisten reisen an einen schwer zugänglichen Ort, den die Restwelt nach einem Mineneinsturz mit zahlreichen Todesopfern vergessen hat. Für die unerwartete Anwesenheit von rund sechzig Menschen gibt es sogar eine glaubwürdige Erklärung, doch wie so oft ist nicht alles, wie es den Anschein hat. Während sich José mit den glatten Erläuterungen und ausweichenden Antworten abspeisen lässt, da er sich Hals über Kopf in die überaus willige Aurora verliebt hat, bleibt Sandra misstrauisch.

Ihre Skepsis teilt auch der Leser, der ihr an Wissen nicht viel voraushat, aber im Gegensatz zu ihr kurze Szenen aus anderen Perspektiven beobachten darf, die seine Ahnungen etwas schneller schüren. Je mehr Puzzle-Stücke zusammengefügt werden durch Rückblenden und Szenenwechsel, umso mehr konkretisieren sich die Hinweise und bestätigen schließlich den unmittelbaren Verdacht, ebenso den, dass noch mehr passiert sein muss nach dem Minenunglück.

Trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit gelingt es dem Autor, dem bekannten Thema eine neue Facette hinzuzufügen, indem er die Journalisten nicht zu den ‚klassischen Opfern‘ macht, wie meist üblich. Am Schluss zieht er sich außerdem aus der Affäre, indem er offen lässt, ob Sandra an einen bösen Traum glauben möchte, um nicht über die Frage nachdenken zu müssen, wie es nun weitergeht und ob ihr Aufenthalt in Tijodatantalas Konsequenzen für dessen wegen ihrer Vergangenheit und möglichen Zukunft in zwei Fraktionen gespaltenen Bewohner hat.

Das Ganze ist unaufgeregt und doch spannend erzählt, sodass man der Story ungeachtet der Ahnungen interessiert folgt, um die Vermutungen bestätigt zu sehen. Dieser Punkt ist sehr gut gestaltet, nur die Figuren sind etwas zu sehr den gängigen Klischees (Kollegin verknallt sich in Aufreißer, der nichts anbrennen lässt und zu blöd ist, um sein Hirn einzuschalten) angepasst. Sandras Verliebtheit hätte der Autor durchaus unter den Tisch fallen lassen können, da die Gefühle der jungen Frau ebenso wie die Beziehung der beiden Hauptfiguren für die Handlung irrelevant ist.

„Antes De Morir“: ein bekanntes Thema, aber versehen mit ein paar neuen Ideen und einer interessanten Aufbereitung - gut zu lesen und sehr unterhaltsam!