Interviews

Im Gespräch mit: Steffen Janssen

Steffen Janssen hat 2011 den LUZIFER-Verlag gegründet. Dort erscheinen Romane und Anthologien vorwiegend aus dem Bereich der Phantastischen Literatur. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich mit dem Inhaber über den Start des Verlages und kommende Projekte wie Hörbücher unterhalten.

Hallo Herr Janssen. Bis zum DORT.con, an dem Sie einen gut besuchten Stand hatten, ahnten viele Leser nicht, dass es den LUZIFER-Verlag gibt. Wie kommt man dazu, in einer Zeit, in der die großen Publikumsverlag über wegbrechende Absätze klagen, in der immer weniger Menschen zum Medium Buch greifen, einen Verlag zu gründen?

Hallo Herr Kuhr, nun – anfangs war der Verlag mehr eine „nette Idee“. In Wirklichkeit hatte ich keine blasse Vorstellung davon, was auf mich zukommen sollte. Es wurde recht schnell ernst und ich musste eine Entscheidung treffen – ganz oder gar nicht. Wie Sie sehen, habe ich mich zu Ersterem entschlossen. Ob denn immer weniger Menschen zum Buch greifen, mag ich gar nicht beurteilen. Die Leipziger Buchmesse stimmte mich eher optimistisch, da war ja auch sehr viel Jugend unterwegs.

Wie kamen Sie auf den griffigen Namen – LUZIFER-Verlag?

Ich bin unschuldig ;) Nein, ganz ehrlich, den Beinamen trage ich beim Pokern (kleines Hobby von mir) schon ein paar Jahre herum und für das Genre Horror kam er ja irgendwie passend daher. Dies aber bitte völlig wertungsfrei jeglicher religiöser Darstellung. Jedenfalls sorgte der Name schon für die ein oder andere nette Diskussion und auch „Begegnungen der 3. Art“, über die ich wirklich herzlich lachen kann.

Mit was für Schwierigkeiten hatten Sie zu Beginn, im Jahr 2011, besonders zu kämpfen? Wie macht man einen neuen Verlag bekannt, wie überzeugt man Autoren davon, ihre Babys ausgerechnet LUZIFER anzuvertrauen?

Das war ein langer, mühsamer und lehrreicher Weg, den wohl jeder Verleger anfangs gehen muss, und den zurückgelegt zu haben, ich sehr erleichtert bin. Noch einmal – nein danke! Die allerersten dargebotenen Manuskripte konnte man wohl ebenso ernstnehmen, wie den Verlag ohne Bücher. Ich habe tatsächlich fast ein ganzes Jahr gebraucht, bis ich mich durchgerungen hatte, das erste Roman-Manuskript als „überlegenswert“ zu betrachten. Dass es solch ein Volltreffer werden sollte, war nicht abzusehen. Darüber freue ich mich noch heute sehr. Und aus der Zusammenarbeit mit dem Autor, der diesen Schritt gemeinsam mit mir wagte, ist eine tolle Freundschaft geworden.

Warum haben Sie sich dann nicht der Book-on-Demand-Möglichkeit bedient? was kann ein Eigenverlag, was BoD nicht kann?

Nicht allein der Inhalt eines Buches ist für mich entscheidend, sondern auch Optik und Haptik des Werkes. Die Möglichkeiten, die mir die Zusammenarbeit mit einer „echten“ Druckerei bieten, übersteigen den Horizont eines Druckdienstleisters wie BoD bei weitem. Außerdem sind die Kosten, wenn ein Buch funktioniert und sich verkauft (und davon möchte ja jeder Verleger wohl ausgehen), längerfristig deutlich geringer. Bisherige Kritiken haben diese Entscheidung bestätigt.

Konnten Sie Ihr eigenes Werk, das Sie ursprünglich zur Verlagsgründung verleitete, inzwischen unterbringen?

Der intensive Zeithunger des Verlags arbeitet gegen mich und ich werde dieses Projekt wohl für immer auf Eis legen ;)

Sie lektorieren ja sämtliche Publikationen, prüfen die eingereichten Manuskripte – ist das für Sie eine erfüllende Tätigkeit?

Das Lektorat liegt in den Händen einer netten jungen Dame, aber selbstverständlich prüfe ich alle eingereichten Manuskripte selbst. Ja, das ist eine spannende und erfüllende Aufgabe – vor allem, wenn sich „der Riecher“ bestätigt…

Der LUZIFER-Verlag beschränkt sich anders als zum Beispiel Festa, Eloy Edictions oder die Voodoo Press nicht nur auf Horror-Titel, in Ihrem Haus haben alle Spielarten der Phantastischen Literatur einen Platz. Wo sehen Sie hier, auch in Konkurrenz zu anderen, entsprechenden Kleinverlagen wie Fabylon, Wurdack oder Atlantis Ihre Lücke im Markt, was können Sie besser machen, als die Kollegen?

Oje, das möchte und kann ich nicht beurteilen. Habe ich ein tolles, außergewöhnliches Manuskript auf dem Tisch, ist das Genre eher zweitrangig, lediglich der Autor muss sich entscheiden, ob dies der richtige Verlag für ihn ist. Aber sicher, Liebesromane oder Kochbücher werde ich nie verlegen, die Richtung muss schon einigermaßen stimmen.

Auf der Internetpräsenz richten Sie sich ganz bewusst an junge, noch unbekannte Autoren. Diese wollen Sie fördern, ihnen eine Möglichkeit geben, zu veröffentlichen. Werden Sie hier nicht mit Manuskripten überschwemmt?

Nicht mehr. Wie erwähnt, war es anfangs schwierig, aber mittlerweile hat sich wohl herumgesprochen, dass auch der LUZIFER-Verlag nicht „blind“ verlegt. Das Niveau der angebotenen Manuskripte hat sich deutlich erhöht, die Quantität dagegen ist gesunken, und das ist auch gut so.

Das eine oder andere Mal funktioniert es aber auch anders herum. Rona Walters Werk haben Sie auf romansuche.de entdeckt – schauen Sie da regelmäßig vorbei?

Nein, das war ein absoluter Zufallsfund. Ich stöberte eines Abends durchs Internet und stieß zufällig auf diese Seite. An „Kaltgeschmink“« bin ich irgendwie hängengeblieben. Eine Fügung des Schicksals könnte man glatt behaupten.

„Graues Land“ von Michael Disseux wurde 2011 beim Vincent Preis für den Besten Roman mit Platz 3 ausgezeichnet – nicht nur ein Grund zum Feiern sondern auch nein Ansporn für Sie, dass Sie den richtigen Riecher beim ersten Roman des Programms hatten?

Es war der 3. Platz in der Kategorie Roman national. Natürlich ein toller Erfolg und auch riesiger Ansporn für die Zukunft. Heuer sind wir mit 3 Romanen nominiert. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll ;)

Fällt es Ihnen persönlich schwer, denen, die es nicht schaffen, eine Absage erteilen zu müssen?

Nein. Wenn ich absage, dann guten Gewissens. Da werde ich mich nicht verbiegen. Auch Drohungen helfen da nicht weiter – warum ich das sage? Weil es bereits vorgekommen ist…

Stichwort Anthologien. Die großen Publikumsverlage haben sich lange schon davon verabschiedet die kurzen, pointierten Literatur-Häppchen ihren Lesern zu kredenzen. Nur mehr die Kleinverlage, und auch diese zunehmend weniger, bringen überhaupt Anthologien auf den Markt. Es hält sich das Gerücht, dass sich Anthologien nicht verkaufen – nun haben Sie diverse entsprechende Bücher im Programm, just erschien zum DORT.con mit „Diablolos“ bereits die dritte Anthologie. Wie sehen Sie hier den Markt, gibt es eine Fangemeinde, Käufer für phantastische Anthologien?

Anthos sehe ich selbst sehr kritisch. Ich habe es versucht und werde in Zukunft die Finger davon lassen, da ich sie mir mehrfach verbrannt habe. Allerdings kann ich mir verlagsinterne Geschichtensammlungen, also mit Autoren, mit denen ich bereits zusammenarbeite, sehr gut vorstellen.

Gegenwärtig habe ich vier Titel Ihres Verlages vor mir liegen; die beiden hochgelobten „Graues Land“-Romane sowie die Anthologien „Diabolos“ und „Styx – Fluss der Toten“ – vier Bücher, drei unterschiedliche Formate. Ist das gewollt, werden Ihre Veröffentlichungen sich weiterhin in der Größe unterscheiden, oder warum diese Unterschiede?

Oh nein, keinesfalls. Dass dieser Eindruck bei Ihnen entsteht, ist der Buchauswahl auf Ihrem Tisch geschuldet. „Styx“ war ja das erste Buch des Verlags und im üblichen Taschenbuch-Format verlegt. Mit der Qualität dieses Buches war ich recht unzufrieden. Das etwas hochformatige Layout von beispielsweise „Graues Land“ benutze ich für Romane mit 200-300 Seiten. Dieses Format empfinde ich sehr ästhetisch, es liegt wirklich gut in der Hand. Das etwas „wuchtigere“ Format von „Diabolos“ kommt bei höheren Seitenzahlen zum Tragen. Also, von „Styx“ einmal abgesehen, arbeite ich mit zwei Formaten, was aber nicht heißt, dass es auf ewig bei diesen Formen bleiben wird. Man versucht sich ja ständig weiterzuentwickeln und probiert das ein oder andere aus.

Immer mehr Kleinverlage kündigen Serien an. Auch LUZIFER hat seine eigene Roman-Reihe („Gharana“), ein Mix aus SF, Endzeit und Horror. Ein Band ist bereits erschienen, der zweite in Vorbereitung. Was macht für Sie den Reiz einer solchen Serie inhaltlich wie verkaufstechnisch aus?

Ja, „Gharana“ ist eine interessante Geschichte. Eigentlich ein „uraltes“ Projekt, welches ich selbst einmal „beackern“ wollte. Dann gab es die (wenig erfolgreiche) Idee, mit einer eigenen Wiki dieses Projekt für Autoren und Illustratoren interessant zu machen. Nach einiger Zeit merkten wir, dass da wohl nix draus wird und stampften das Ganze wieder ein. Na ja, fast … es gab da einen einzigen Autor, den Jakob Moser, der sich förmlich auf den Stoff gestürzt hatte und unbeirrt den ersten Teil, „Herix“, beendete. Als ich das Manuskript las, war mir klar, diesen Stoff musste ich doch veröffentlichen, der war einfach zu „abgefahren“, zu „anders“. Mittlerweile liegt das zweite Manuskript vor. Sci-Fi-Endzeit-Apokalypse vom Feinsten. Ich liebe „Gharana“ … und den irren Jakob ;)

Ich darf Sie zitieren: Mit kleinen Schritten (bei begrenzten Möglichkeiten) möchten wir unsere Verantwortlichkeit für Kultur und Gesellschaft zum Ausdruck bringen: wir drucken ausschließlich in Deutschland. Wir sind ein fairer, transparenter Verlag, von jedem verkauften Buch spenden wir 10 Cent an das Deutsche Kinderhilfswerk.“ Zunächst einmal Respekt dafür – wie kommt das bei den Autoren und den Lesern an?

Keine Ahnung. Diesbezüglich gibt es keine Resonanz. Das ändert aber nichts an meiner persönlichen Einstellung, die ja in meinem privaten Leben begründet liegt.

Ich hörte etwas munkeln davon, dass erste Bücher aus Ihrem Verlag gar für eine Veröffentlichung in Übersetzungen vorgesehen sind?

Korrekt. „Kaltgeschminkt“ wird derzeit ins Englische übertragen. Ein Experiment – wie so vieles…

Thema Hörbuch – hier scheiden sich die Geister. Viele Verlage experimentieren mit dem Medium, müssen dann aber wieder die Flügel strecken; wie sieht das bei LUZIFER aus?

Auch hier befinden wir uns im Stadium „Experiment“. Derzeit wird „Graues Land“ vertont und ich platze bereits vor Neugier, wie dies da draußen ankommt. Obwohl ich ja (zwangsläufig) das Buch bereits mehrere Male gelesen habe, finde ich das Hörbuch extrem spannend und atmosphärisch dicht. Eine ganz andere Art, diese Geschichte zu genießen.

Andere Kleinverlage bringen immer mehr Übersetzungen, Sie konzentrieren sich ganz bewusst auf deutschsprachige Autoren – warum?

Das ist nicht ganz richtig, denn immerhin werden wir dieses Jahr drei Übersetzungen auf den Markt bringen, und letztes Jahr habe ich mich ja todesmutig an einem Österreicher versucht (jetzt bitte nicht lynchen, haha). Allerdings liegt der Focus des Verlages doch deutlich auf deutschsprachigen Autoren und so wird es auch bleiben. Auch wird der Autorenpool des LUZIFER-Verlages nur noch unbedeutend wachsen, denn ich will die Autoren bestmöglich unterstützen, und das geht nicht über Masse.

Sie sind mit Ihrem Verlag auf Facebook sehr aktiv – lassen sogar über inhaltliche Konzepte abstimmen -; ist das die Zukunft, hier eine direktere Autor/Verlag/Leser-Bindung aufzubauen, den Käufer in den Entscheidungsprozess mit einzubinden?

Ich will hier nicht den Eindruck erwecken, der kleine Verlag bestünde nur aus „Experimenten“, aber tatsächlich ist dies die Prämisse hinter diesem Konzept. Dabei lassen sich eine Menge Erfahrungen sammeln und wir verlieren nicht den Blick für die Leser. Letztendlich entscheiden sie über unsere Daseinsberechtigung, und dahingehend fände ich es dumm, sie für unmündig zu erklären. Solche Arroganz soll ja manchen Verlag ins Abseits getrieben haben.

Was lassen Sie sich, außer gute Bücher zu produzieren, für Ihre Leser besonderes einfallen? Gibt es spezielle Vorabaktionen, können Fans signierte Exemplare Ihrer Bücher bestellen, gibt es Online-Diskussionsrunden mit dem Verleger oder dem Autor oder organisierte Lesereisen? Ich habe etwas von T-Shirts mit den Cover-Motiven der Bücher gehört.

Unsere Leser können uns auf Conventions live erleben. Bei LUZIFER gibt es keine Autoren mit Lese-Allergie ;) Aktuelle Termine sind jederzeit über die Homepage abrufbar. Selbstverständlich ist jedes Buch signiert erhältlich, einfach bei der Bestellung (über den Verlag) die gewünschte Signatur angeben und wir leiten das direkt an den jeweiligen Autor weiter. Auch der Verleger ist für jeden Unsinn zu haben und gibt gerne Interviews (wie man hier sieht) und selbst PodCasts bereiten ihm höllischen Spaß ;) Zur Präsentation neuer Titel gibt es regelmäßig Online-Diskussionsrunden via Facebook. Diese werden über den FB-Account des Verlages bekanntgegeben. Natürlich sind wir für jede Anregung dankbar.

Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Leser Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute!


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