Interviews

Im Gespräch mit: Natalja Schmidt

Mit Julia Abrahams betrieb Natalja Schmidt bis vor Kurzem eine literarische Agentur. Im Frühjahr ist sie zu Droemer Knaur gewechselt, um dort eine neue Phantastik-Reihe aufzubauen. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat ihr einige Fragen zu ihrem alten wie dem neuen Betätigungsfeld gestellt.

Hallo Frau Schmidt. Was bringt eine Studentin für Medienwissenschaft, Politik und Kunstgeschichte dazu, sich für Bücher, noch dazu der phantastischen Sorte, zu begeistern?

Die Begeisterung für abenteuerliche und phantastische Stoffe war bei mir schon früh ausgeprägt – das hat schon in meiner Kindheit literarisch mit Michael Ende und Astrid Lindgren angefangen. In meiner Jugend kamen natürlich Tolkien, Herbert, Gibson, Varley, Salvatore, Asimov, LeGuin, Simmons, Atwood und viele, viele weitere Autorinnen und Autoren hinzu. In den letzten Jahren waren es dann vor allem Martin, Murakami, Scalzi, Reynolds, Abercrombie & Co, die mich begeistert haben – Sie sehen, es handelt sich um eine lebenslange Leidenschaft. ;-)

Nachdem Sie, Ihrer Vita nach, zunächst für Verlage im Außenlektorat gearbeitet hatten, haben Sie 2005 zusammen mit Julia Abrahams eine literarische Agentur aufgemacht. Wie kam es dazu?

In der Mitte des vergangenen Jahrzehnts herrschte auf dem Buchmarkt große Aufbruchsstimmung, was die Phantastik betrifft. Jacksons Neuverfilmung des „Herrn der Ringe“ und Bucherfolge wie „Harry Potter“ sorgten dafür, dass sich plötzlich ganz neue und viel größere Käuferschichten für die Fantasy interessierten. Aus dieser Situation heraus fragte mich eine befreundete Lektorin, ob ich innerhalb der Phantastik-Szene nicht auch Autoren kennen würde, von deren Potenzial ich überzeugt sei. Das habe ich bejaht, und als die ersten Vertragsverhandlungen anstanden, haben Julia und ich beschlossen, professionell an die Vermittlung heranzugehen.

Sieht man sich die bei Ihnen unter Vertrag gestandenen Autoren und deren Veröffentlichungen an, so fällt zunächst auf, dass Sie sich auf Fantasy – klassische High Fantasy ebenso wie die so angesagten Romantic-Urban-Fantasy-Stoffe – konzentriert haben. War das Absicht, oder war hier einfach der Bedarf der Verlage an Material am größten, so dass Sie hier den Fuß am schnellsten in die Tür bekamen?

Unser erstes vermitteltes Buch war Christoph Hardebuschs „Die Trolle“, darauf folgten Oliver Plaschkas „Magier von Montparnasse“ und Bernd Perplies „Tarean“ – der Bedarf an Fantasy-Stoffen war damals einfach sehr hoch. Bei der Science Fiction, zumal der aus deutscher Feder, sah es hingegen leider ganz anders aus.

Generell bringt mich das zur Frage, wer bestimmt, was erscheint – der Verlag mit entsprechenden Vorgaben („Wir suchen ausschließlich dies oder das“, und entsprechend werden die Autoren angehalten, das Gewünschte zu schreiben) oder das Angebot, das an die Verlage herangetragen wird?

Ein Verlag braucht natürlich ein bestimmtes Profil – das ist einerseits wichtig, damit die Buchhändler Stoffe richtig einsortieren und empfehlen können, andererseits aber auch gut für die Leserbindung. Deshalb gibt es kaum Verlage, die innerhalb der Phantastik alle Subgenres bedienen, sondern fast ausschließlich welche, die sich auf bestimmte Sparten konzentrieren. Deshalb suchen Verlage oft bestimmte Themen und schauen sich auch nicht zwangsläufig Projekte an, die ohnehin aus ihrem „Beuteschema“ herausfallen. Große Bestseller sind dabei natürlich ein weiteres Thema, da hat wohl jeder Verlag schon einmal gesagt „Wir suchen etwas wie…“.

Gibt es genügend deutsche Stimmen in der Phantastik, die mit den angloamerikanischen Vorbildern mithalten können?

Die gibt es sicher. Und mittlerweile haben ja auch die Verlage das Potenzial der deutschen Phantastik-Autoren erkannt. Es gibt eigentlich keinen größeren Verlag mehr, der nicht auch deutsche Autorinnen und Autoren im Programm hätte. Namen wie Markus Heitz, Bernhard Hennen, Nina Blazon, Ursula Poznanski und Kai Meyer beweisen, dass auch Phantastik aus deutscher Feder sehr gut bei den Lesern ankommt.

Wie kommt es zur Dominanz der Reihen der Großverlage durch ausländische Verfasser?

Der angloamerikanische Markt ist natürlich erst einmal sehr groß und auch sehr ergiebig. Und die Phantastik hat dort auch eine lange Publikationstradition, man denke zum Beispiel an die „Weird Tales“. In den Schreibschulen und Creative-Writing-Kursen bekannter Autoren wird manches Talent entdeckt. Viele englischsprachige Romane werden importiert, weil sie einfach gut sind, und weil Lektoren die Stoffe mögen, und sie ihren Lesern zugänglich machen wollen. Die aktuelle Dominanz einer Reihe wie „Das Lief von Eis und Feuer“ liegt natürlich einerseits an der äußerst erfolgreichen Verfilmung, andererseits aber auch daran, dass sie ein echtes Phänomen ist, dass auch von Millionen Lesern geschätzt wird, die sonst vielleicht selten oder nie zu Fantasy greifen.

Ende 2014 haben Sie und Ihre Partnerin dann bekanntgegeben, dass die Agentur ihre Pforten schließt. Wie kam es dazu?

Wir haben die Agentur zehn Jahre geführt und hatten immer viel Freude an der Zusammenarbeit mit Autoren und Verlagen. Durch kontinuierliches Wachstum haben wir im Lauf der Jahre mehr und mehr Genres vertreten, was eine spannende Erfahrung war. Aber ich bin natürlich der Phantastik immer besonders verbunden geblieben, und als sich die Gelegenheit bot, bei Droemer Knaur das neu entstehende Fantasy und SF-Programm maßgeblich mitzugestalten, habe ich schnell gewusst, dass ich mich dieser neuen Herausforderung gerne stellen will.

Seit April sind Sie nun für Droemer Knauer als verantwortliche Herausgeberin der neuen Phantastik-Reihe tätig. Nun hat Knaur ja eine lange Tradition, was entsprechende Reihen anbelangt. In den 80ern begann man unter der Ägide von Werner Fuchs mit einer SF-Reihe den Markt zu erobern, eine Fantasy-Edition (unter anderem mit David Eddings’ Sagen) schloss sich an, eine Horror-Reihe mit etwas gewöhnungsbedürftiger Covergestaltung und später dann der All-Age-Verlag Pan wurden lanciert. Nach dem Weggang von Timothy Sonderhüsken fuhr man das Programm herunter – wo und wie werden Sie daran anschließen, wo eigene, neue Schwerpunkte setzen?

Unsere inhaltliche Ausrichtung wird sich vom Jugendbuchlabel Pan stark unterscheiden – wir zielen hauptsächlich auf erwachsene Stoffe ab. Fantasy wird den größeren, SF den kleineren Teil des Programms ausmachen. Es freut mich aber sehr, dass wir diese Mischung gewählt haben, und Science Fiction ein fester Programmbestandteil sein wird.

Nun konnte man bereits nachlesen, dass Sie Bestsellerautor Markus Heitz exklusiv an Droemer binden konnten – wie sieht es mit weiteren bekannten einheimischen Autoren aus?

Da befinden wir uns gerade in einigen Gesprächen und werden sicher noch die eine oder andere Überraschung parat haben.

Ist es für Sie nicht schwierig, wenn nun ein Autor, den Sie früher selbst vertreten haben, Ihnen einen Roman anbietet?

Die Buch-Branche ist ja prinzipiell klein und eng miteinander vertraut, so dass es eigentlich in allen Bereich vorkommt, dass man mal mit jemandem zusammenarbeitet, den man auch schon aus anderen Zusammenhängen kennt. Natürlich kann es schwierig sein, ein Manuskript zu beurteilen, das ein guter Freund eingereicht hat, aber dafür hat man ja auch Kolleginnen und Kollegen. Und die allermeisten der früher von uns vertretenen Autoren haben mittlerweile auch neue Agenturen gefunden, sodass ein professioneller Umgang auf jeden Fall gewährleistet bleibt.

In welche Richtung soll das neue Programm schwerpunktmäßig ausgerichtet werden? Mehr Urban Fantasy, Romantasy oder bodenständige SF beziehungsweise Fantasy? Wird es gar für Fans des Horror-Romans wieder einen Grund zum Jubeln geben?

„Bodenständige“ Fantasy und SF werden beide bei uns eine große Rolle spielen. Auch die Urban Fantasy wird sicher vertreten sein. Romantasy sehe ich hingegen eher nicht bei uns. Und wir wollen natürlich auch experimentieren und werden uns überdies an Crossover oder Genre-untypische Stoffe heranwagen. Eine ausgewogene Mischung aus Bekanntem und Innovativem ist mir dabei ein Hauptanliegen.

Können Sie unseren Lesern schon etwas verraten? Auf welche Entdeckung im Knaur-Herbst-Programm darf man sich besonders freuen?

Bradley Beaulieus „The Song of the Shattered Sands” und Anthony O’Neills „The Dark Side” kann ich herzlich empfehlen.

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!