Torsten Scheib: Götterschlacht (Buch)

Torsten Scheib
Götterschlacht
Titelbild: Timo Kümmel
Amrûn, Paperback, 366 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-95869-562-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es begann im hohen Norden. Hagelkörner, so groß wie Basketballbälle, gingen auf Mensch, Natur und Bauwerke nieder, die Temperatur sank. Im Netz kursierten Videos von etwas Geflügeltem, riesige Wölfe sollten gesichtet worden sein. Dann breitete es sich gen Süden aus. Atmosphärische Katastrophen, Midgardschlangen und Fenriswölfe suchten die Menschen und ihre Behausungen heim, es wurde barbarisch kalt.

Dann kam das Feuer. Ein Feuer, das man nicht löschen konnte, das alles, Stahl wie Beton, verbrannte und die so stolzen menschlichen Errungenschaften in zähe Schlacke verwandelte. Der Odenwald fing Feuer, Biblis glog in die Luft, Darmstadt und Frankfurt brannten.

Dies ist die Geschichte von fünf Menschen, die das Inferno zunächst überlebten. Vier von ihnen kommen aus einer WG, der fünfte ist ein norddeutscher Trucker, der sie unterwegs aufsammelt. Sie flüchten durch eine Welt, die mitleidlos ausgelöscht wird. Die Krone der Schöpfung hat ausgedient, es ist die Zeit des Krieges, da Götter auf Erden wandeln und ihren Zwist in Feuer und Blut austragen - es ist die Zeit des geweissagten Ragnarök…

 

Wenn ich in den letzten Jahren eine Horror-Anthologie aufgeschlagen habe, stieß ich immer wieder auf den Namen Torsten Scheib. Dabei präsentierte er sich als versierter Erzähler, dem es scheinbar mühelos gelang, seine Leser in ein grausames, beängstigendes ja verstörendes Ambiente zu entführen. Sprich, seine Beiträge zählten in aller Regel zu den beeindruckendsten Geschichten des jeweiligen Buches.

In der „Mängelexemplare - Dystopia“-Anthologie-Reihe allerdings blieb uns der Verfasser seine Weltuntergangsgeschichte schuldig. Zu ausufernd für eine Anthologie sei sie, so zumindest war damals zu lesen. Der Autor wollte sich Zeit nehmen, aus den Entwürfen einen Roman zu machen und im Amrûn Verlag zu publizieren. Drei Jahre hat es gedauert, bis aus diesem Versprechen Realität wurde. Und, um es vorwegzunehmen, das Warten hat sich für Verfasser wie seine Leser mehr als gelohnt!

In den letzten Jahren konnten wir schon einige Geschichten rund um Ragnarök und die altnordischen Götter lesen. Rick Riordan wandte sich in den Magnus-Chase-Romanen (dt. bei Carlsen) dem Topic ebenso zu wie Kevin Hearne in seiner „Eiserne Druide“-Saga (dt. bei Klett-Cotta), sie alle verwöhnten den Leser aber, verglichen mit vorliegendem Werk, mit weichgespülten Göttern und einem Weltuntergang Marke Light.

Torsten Scheibs Bericht über Ragnarök liest sich damit verglichen wie Death Metal zu Mozart. Da wird das Augenmerk genau dahin gerichtet, wo es wirklich weh tut. Nichts mehr ist übrig von der menschlichen Arroganz, der Krone der Schöpfung, wenn man im Feuerregen flieht. Die zivilisatorische Tünche ist nur zu schnell ab, was bleibt ist Verzweiflung, Gewalt und das Wissen, das der Mensch hilflos angesichts der Gewalten um ihn herum ist.

Gerade dies, die Hilflosigkeit angesichts der Geschehnisse, wird vom Autor mustergültig dargestellt. Das entfaltet eine erzählerische Wucht, die ich selten gelesen habe. Man folgt den Geschehnissen voller Spannung in ihr dramatisches Finale und hoff unwillkürlich, dass das Beschriebene auf ewig Phantasie bleiben wird - sonst…